Corinne Cuvelier ist Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin und seit 2014 Beraterin im Frauenberufszentrum Kärnten. Aktive Frauenförderung zur Chancengleichheit ist für sie eine Herzensangelegenheit. Sie begegnet unseren Kundinnen mit Respekt, Neugierde und Dankbarkeit für das Vertrauen, sie ein Stück ihres Weges begleiten zu dürfen. Außerdem verfügt sie über einen guten Blick für Menschen und besonderes Einfühlungsvermögen verbunden mit einem sicheren Gespür für das Machbare. Weiters bietet sie Stress- und Burnout Prävention für den beruflichen Alltag. Jeder Mensch ist individuell, so auch seine Probleme, Herausforderungen und damit erlebten Belastungen. Wenn diese jedoch allein nicht mehr tragbar sind, müssen neue Lösungen gefunden und ressourcenorientiert gearbeitet werden. Hier bietet Corinne Hilfe zur Selbsthilfe. Im Interview gibt sie einen Einblick in ihren Berufsalltag:

Corinne, du bist seit 7 Jahren Beraterin im Frauenberufszentrum Kärnten und hast viele Frauen auf ihren Weg zurück ins Berufsleben begleitet. Mit welcher Ausgangssituation kommen Frauen zu dir?

Grundsätzlich ist das Frauenberufszentrum für alle Frauen da, egal welchen Hintergrund sie mitbringen. Die individuellen Situationen sind vielfältig. Ihnen allen ist jedenfalls gemein, dass sie beim AMS arbeitslos bzw. arbeitssuchend gemeldet sind. Die meisten von ihnen leisten auch in irgendeiner Form Betreuungsarbeit für Familienangehörige.

Das kann die junge Mutter sein, die nach der Karenz wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren möchte. Oder eine Frau, die sich nach langen Jahren in einer Branche nun beruflich umorientieren möchte, einfach, weil sie beruflich neu durchstarten möchte oder sie die letzte Tätigkeit auch physisch und/oder psychisch zu belastend erlebt. Oder eine Frau, die längere Zeit außerhalb von Kärnten gearbeitet hat, nun zurückkehrt und sich am regionalen Arbeitsmarkt erst orientieren muss. Hier fehlt oft auch ein entsprechendes Netzwerk.

Junge Frauen beispielsweise haben oft das Gefühl, sehr vieles sehr rasch in ihrem persönlichen und beruflichen Leben erreichen zu müssen. Hier kann es helfen, eine andere, vielleicht erfahrenere Frau sagen zu hören: „Ich weiß genau, was du gerade durchmachst”, um Ängste abzubauen, die eigenen Perspektiven zu erweitern und Orientierung zu geben.

Doch egal, in welcher Lebensphase sich die Frauen befinden und vor welchen Herausforderungen sie stehen, wir versuchen auf jede Situation ganz individuell einzugehen und gemeinsam entsprechende Lösungen zu finden.

Was haben Frauen gemeinsam, die erfolgreich den Weg zurück in den Arbeitsmarkt schaffen?

Zusammengefasst gesagt: Entscheidungs- und Handlungskompetenz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit.

Diese Frauen treffen eine Entscheidung und kommen ins Tun. Es ist das Tun, das dich im Leben weiterbringt. Nicht nur ständig zu überlegen und alles bis ins Detail abzuwiegen, letztendlich kommt es auf die Umsetzung an.

Dazu gehört auch der Mut sich auszuprobieren, aber auch der Mut zum Scheitern. Zu erkennen, dass Scheitern eine wichtige Lernerfahrung sein kann und es mich nicht davon abbringt, weitere Sachen auszuprobieren und dran zu bleiben. Wir brauchen dazu eine andere Fehlerkultur bzw. eine andere Akzeptanz und Sichtweise von Scheitern. Im Leben geht es nicht um schwarz-weiß bzw. entweder-oder: Wir müssen weg von diesem eingeschränkten Denken, es hindert uns in unserem Potenzial und engt Handlungsspielräumen zu sehr ein.

Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe – das ist etwas, das ich auch in der Beratung immer wieder sehe. Wir haben bereits viele, wunderbare Frauen begleitet, die wirklich wollen, die mit Leidenschaft und Beharrlichkeit ihren Weg finden. Sie brauchen dann einfach etwas Unterstützung beim Bewerbungscoachings oder einen Input zum Netzwerken.

Einige wiederum sind schwerer zu aktivieren, verstecken sich hinter diversen Gründen, warum sie etwas nicht machen können. Sie verharren in einer Starre, quälen sich mit Zweifeln oder jagen unerreichbaren Idealen nach. Dabei erlebe ich immer wieder, dass Mütter beispielsweise oft sehr klar, strukturiert und umsetzungsstark sind, wenn es um Entscheidungen in Bezug auf ihre Kinder geht, dies aber nicht auf andere Bereiche ihres Lebens anwenden. Ich versuche sie zu ermutigen, klare Entscheidungen auch in Bezug auf Fragen rund um den Job zu treffen.

Außerdem denke ich, dass es eine Portion Zuversicht braucht, dass das Leben für mich etwas Positives bereithält und sich mein Weg und die dazugehörigen Puzzleteile meines persönlichen Erfolgs auch fügen werden. Das Loslassen von der Vorstellung, dass man selbst alles kontrollieren kann und muss, bringt eine gewisse Leichtigkeit mit seiner Lebenssituation umzugehen. Denn es gibt ihn für mich nicht, den einen vermeintlich allumfassenden, perfekten Plan. Das Leben hat für jeden von uns einige Überraschungen bereit, die vielleicht nicht alle nach unserem Geschmack sind. Was letztendlich zählt ist doch, sich darauf einzulassen, dranzubleiben und mehr seinem Instinkt zu vertrauen. Wenn ich für mich annehmen kann, was kommt, habe ich viel gewonnen.

Ich habe den Eindruck, Frauen brauchen oft lange, um das Gefühl zu haben, beruflich endlich anzukommen. Was macht Arbeit für Frauen sinnvoll?

Für die Frage, ob ein Job als sinnvoll erlebt wird, kann ich nur antworten, dass nicht der Job an sich sinnvoll ist, sondern es der Person, die ihn ausübt, die ihr Wissen, ihre Kompetenzen miteinbringt etc., ermöglicht, Sinn zu generieren. Die Vorstellung, wir könnten einen sinnvollen Job suchen oder uns vermitteln lassen, ohne uns ernsthaft damit zu beschäftigen, was will ich, was ist mir wichtig, welche Werte(haltung) habe ich, ist zu naiv und kurzsichtig gedacht. Statt einen Job mit Sinn zu suchen, wäre die -manchmal unangenehme Frage- „Was will ich wirklich?“ vielleicht angebrachter.

Arbeit kann man schließlich auch völlig pragmatisch sehen. Die Frage ist immer, welches Ziel dahintersteckt, was ist mein Wozu? Ganz banal gesagt, kann der Sinn einer Arbeit auch einfach der sein, dass ich meine Miete bezahlen kann. Aber wenn ich nicht weiß, was ich will und wozu ich arbeite, wird mir kein Job der Welt Sinn geben. Ich werde mich mit ziemlicher Sicherheit immer in einer unzufriedenen Situation wiederfinden. Wenn ich nicht weiß, was und wohin ich will, geht auch mein Handlungsspielraum verloren.

Dabei kann es hilfreich sein, sich von der Vorstellung verabschieden, dass es den einen perfekten Job gibt. Man darf und kann sich auch mit Zwischenschritten zufriedengeben und den Erfolg in Teilzielen erkennen, wenn man das große Ganze im Auge behält. 

In frauenspezifischen Maßnahmen geht es oft darum, das Selbstbewusstsein zu stärken, Mut zu machen, Selbstwert zu entwickeln. Brauchen Frauen tatsächlich Unterstützung mit ihrem Selbstwert und wenn ja, warum ist das so?

Es wird oft der Eindruck vermittelt, dass gerade Frauen mehr Selbstbewusstsein benötigen, sich mehr durchsetzen müssen etc., doch so solitär betrachtet stimmt das nicht. Ein kleines Reframing wäre hier angebracht.

Ich denke, vieles, das damit verbunden ist, hat mit Wertschätzung und Anerkennung zu tun, mit dem Sehen der unbezahlten Arbeit wie der Carearbeit, bzw. generell der Mehrfachbelastungen, die Frauen tragen.  Viele Rollen, in die Frauen im Alltag schlüpfen, haben leider gesellschaftlich nicht denselben Stellenwert wie Erwerbsarbeit. In dem turbulenten, vielfältigen, herausfordernden Alltag fällt es dann nicht so leicht zu erkennen, was alles an Einsatz, Zeit, Engagement, Arbeit dahinter steckt. Das sind keine Selbstverständlichkeiten und dürfen auch nicht als solche gesehen werden. Es ist fast zynisch zu behaupten, Frauen bräuchten mehr Selbstbewusstsein, wenn sie in Wirklichkeit mehr Anerkennung vor allem in Form von höherer Entlohnung für ihr Tun benötigen – in Form von leistbarer Angehörigenbetreuung, Erhöhung des Grundgehalts und generell eine höhere Entlohnung von systemrelevanten Berufen, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden.

Wir versuchen daher gemeinsam mit dem BFC, die Leistung von Frauen sichtbar zu machen. Doch nur, wenn ich selbst anerkennen kann, was meine (unbezahlte) Arbeit wert ist, werde ich das auch im Außen annehmen können.

In der Beratung versuche ich den Frauen ihre Kompetenzen und Ressourcen bewusst zu machen, Lernfelder aufzuzeigen, wo es auch wichtig ist, nach uschärfen und sich weiterzuentwickeln bzw. weiterzulernen. Speziell in unseren Gruppencoachings wird den Frauen bewusst: Ich bin mit meiner Situation nicht allein und wir alle bringen wirkungsvolle Ressourcen mit, vor allem, wenn wir uns zusammenschließen.