Der Gender Pay Gap, die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen, taucht immer wieder in den Schlagzeilen auf. Einige finden, es sei ein ernstes Problem, das dringende Maßnahmen erfordert. Andere argumentieren, dass die Lohnunterschiede auf ungleiche Vergleichsgrundlagen zurückzuführen sind und sich daraus ein verzerrtes Bild ergibt. Doch wie verhält es sich wirklich?

In Österreich betrug die durchschnittliche Differenz im Bruttoverdienst von Männern und Frauen 2023 etwa 19,2 %. Nach wie vor liegt unser Gender Pay Gap somit deutlich über dem EU-Durchschnitt von ca. 13 %, auch über dem von Deutschland. Und obwohl sich der Anteil der erwerbstätigen Frauen dem der Männer angleicht, spiegelt sich dies nicht in der Gehalts- und Karriereentwicklung von Frauen wider.

Diskriminierung und systematische Ungleichheit

Kritiker*innen behaupten, dass die Unterschiede im Verdienst nicht nur auf Diskriminierung, sondern auch auf verschiedene Faktoren wie Berufserfahrung, Arbeitsstunden und Branchenwahl zurückzuführen sind. JA, Frauen wählen häufig Berufe, die traditionell niedriger bezahlt werden. JA, Frauen arbeiten öfter in Teilzeit. Aber wieso? Oft ist diese Wahl das Ergebnis struktureller Ungleichheiten und gesellschaftlicher Normen, die Frauen in bestimmte Berufsrollen drängen und sie dazu veranlassen, ihre Arbeitszeiten anzupassen, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Diese Strukturen tragen selbstverständlich zum Gender Pay Gap bei.

Studien zeigen aber, dass selbst nach Berücksichtigung von Berufswahl und Arbeitszeiten eine erhebliche Lohnlücke bestehen bleibt. In vielen Fällen erhalten Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen.

Sind wir Frauen (mit)schuld?

Frauen fragen, im Vergleich zu Männern, seltener nach Gehaltserhöhungen. Gleiches gilt für Beförderungen (die Harvard Business Review nennt dies „Gender promotion gap“). Mögliche Gründe gibt es viele: soziale Normen und Erwartungen, mangelndes Selbstvertrauen, Angst vor negativen Konsequenzen auf Seite der Frauen selbst. Zu wenig Transparenz und schwache Personalprozesse auf Seite der Unternehmen.
Derart tief verwurzelte Ungleichheiten im Arbeitsmarkt sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Das Economic Policy Institute – ein unabhängiger Non-Profit Think-Tank aus Washington – ist überzeugt, dass die Wirtschaft Frauen in jeder Phase ihrer Ausbildung und Berufswahl ungleiche Chancen bietet. Ernsthafte Versuche, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verstehen, dürften daher nicht Frauen dafür verantwortlich machen, dass sie nicht hart genug arbeiten oder keine gut bezahlten Berufe wählen.

Maßnahmen zu Schließung des Gender Pay Gaps

Laut einer Berechnung des Weltwirtschaftsforums dauert es noch 132 Jahre bis zu einer echten weltweiten Gleichstellung, wenn wir in gleichem Tempo weitermachen wie bisher. „Nur“ 60 Jahre in Europa. Dann haben wir 2084 und unsere Kinder sind bereits (Ur)Großeltern.

Um den Gender Pay Gap rascher zu schließen, sind daher umfassende Maßnahmen erforderlich – auf Seiten von Unternehmen, der Politik und uns Frauen selbst.

  • Unternehmen benötigen transparente Gehaltsstrukturen und Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen.
  • Politik und Gesellschaft müssen eine gerechtere Verteilung der Familien- und Arbeitsverantwortung fördern.
  • Wir Frauen brauchen Mut und Selbstvertrauen.

Nur durch konkrete und zielgerichtete Maßnahmen können wir gemeinsam sicherstellen, dass alle Menschen – unabhängig vom Geschlecht – faire Chancen auf eine gerechtere Bezahlung erhalten. Damit die wirklich BESTEN Mitarbeiter*innen gefördert werden. Nicht die lautesten.

Eine Initiative zur Schließung des Gender Pay Gaps ist das Projekt „100 % – Gleichstellung zahlt sich aus“, das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und BMAW finanziert wird. Im Rahmen dieses Projekts werden österreichische Unternehmen kostenfrei dabei unterstützt, Gleichstellungsstrategien zu implementieren – durch optimierte Personalprozesse, Mitarbeiter*innen-Coachings und Best Practice Sharing.

Für Kärntner Unternehmen gibt es noch ein paar freie Plätze, Anfragen dazu gerne direkt an die Autorin oder erstberatung@100-prozent.at. Mehr Informationen zum konkreten Beratungsangebot unter: https://100-prozent.at/beratungsangebot/.

Fazit

Der Gender Pay Gap ist weit mehr als ein statistischer erklärbarer Unterschied oder ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Er spiegelt tief verwurzelte Ungleichheiten wider, die nicht einfach ignoriert oder relativiert werden können.

Gleichstellung ist nicht nur eine gesellschaftliche Verpflichtung, sondern hat messbare positive wirtschaftliche Auswirkungen auf Unternehmen. Um diese zu erreichen, müssen wir die Ursachen des Gender Pay Gaps umfassend angehen und auch strukturelle Veränderungen vornehmen. Nur so können wir eine gerechtere und erfolgreichere Arbeitswelt für alle schaffen.

Über die Autorin

MMag. Gudrun Ogris, MBA arbeitet seit 2019 als selbständige Unternehmensberaterin. Sie unterstützt ihre Kunden bei strategischen Personalthemen, als interimistische HR-Leitung und als Trainerin. Davor war sie 15 Jahre in internationalen Unternehmen im In- und Ausland in meist leitender HR-Funktion tätig. Sie hat ein Masterstudium in Business Management mit Schwerpunkt „Strategic Management“ in den USA absolviert und macht derzeit eine Zusatz-Ausbildung zur diplomierten Achtsamkeits-Trainer*in.

Quellen:

Weiterführende Links
https://100-prozent.at/
https://www.gehaltsrechner.gv.at/

Literatur / Quellen
Harvard Business Review: „Gender Differences in the Workplace: The Role of Negotiation and Seif-Promotion“ (https://professional.dce.harvard.edu/blog/women-dont-self-promote-but­maybe-they-should/), 24.09.2024
Economic Policy Institute: „The gender pay gap can’t be explained by women’s career choices“, 24.09.2024
Statistisches Bundesamt Deutschland (Destatis): ,,Gender Pay Gap erklärt“
(https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-GenderPayGap/gender­pay-gap.html), 03.10.2024
World Economic Forum: ,,Global Gender Gap Report 2022″
(https://www3.weforum.org/docs/WEF GGGR 2022.pdf), 03.10.2024