Ilona Tanos ist seit sechs Jahren beim Frauenberufszentrum Kärnten. Sie blickt auf über 5000 Coachingstunden zurück. Im Interview gibt die charismatische Beraterin nicht nur einen Rückblick, sondern vor allem einen kritischen Ausblick. Denn für Chancengleichheit und Gerechtigkeit ist noch viel zu tun.

Ilona, du bist seit sechs Jahren Beraterin im FBZ: Was sind deine besonderen Highlights in der Beratung von arbeitssuchenden Frauen?

Ich freue mich immer, wenn Frauen mit meiner Unterstützung ihre Komfortzone verlassen und ihre finanzielle Eigenständigkeit als Ziel sehen. Das stärkt dann ihr Selbstvertrauen und wirkt sich auch auf das Selbstwert aus.

Besonders bewundere ich Frauen, die ihren individuellen Weg gefunden haben, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Das verlangt viel Selbstdisziplin oder eine große Portion an Selbstmotivation.

Besonders in Erinnerung bleiben auch jene Kundinnen, die sich auch Jahre nach der gemeinsamen Beratungszeit noch regelmäßig melden. Diese Wertschätzung und das Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein, macht mich sehr dankbar.

Welche Herausforderungen brachte die Corona Pandemie?

Die Verantwortlichkeiten der Frauen explodierten. Über Nacht wurden sie zu Lehrerinnen, Klassenkameradinnen oder Kindergartentanten. Gleichzeitig fehlten Möglichkeiten für Sozialkontakte und zum Austausch.

Unsere Beratungen wurden in dieser Zeit großteils online durchgeführt. Wobei wir mit unseren Kundinnen sowohl via Telefon, E-Mail, Videotelefonie oder Videokonferenztools in Kontakt standen. Die Gespräche waren fokussiert auf die Strukturierung des Tagesablaufs und des Familienalltags und die Motivation zur Steigerung des Wohlbefindens und des Selbstwerts. Für einige Kundinnen waren wir der einzige soziale Kontakt außerhalb des eigenen Familienverbundes. Und in der Zeit der Ausgangssperre für Kundinnen ohne Familie überhaupt der einzige Kontakt.

Alles in allem haben wir in der Hochblüte der Corona Pandemie gute und wichtige Arbeit geleistet und unsere Kundinnen haben uns das mehrfach gedankt!

Was sind die wichtigsten Dinge, die du arbeitssuchenden Frauen in deiner Beratung mitgibst?

Motivation und Mut auch mal was Neues auszuprobieren, Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Wissen, dass ich sie vertrauensvoll auf ihrem Weg begleite. Manchmal auch die nächsten Schritte einfordern und hin und wieder auch mal den sprichwörtlichen „Tritt…..“.

Unser Leben besteht aus lebenslangem Lernen und Herausforderungen zu meistern. Über die eigene Situation zu jammern, aber nichts dagegen zu unternehmen, gilt nicht. 

Das Ziel unserer Beratung besteht unter anderen darin, die individuelle Gestaltungs-Kompetenz zu erweitern, um die Frauen in ein selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Handeln zu bringen. Dazu gehört auch Frauen in ihren eigenen Ressourcen zu stärken und mit ihnen neue Perspektiven und Veränderungsmöglichkeiten zu entwickeln. Wir definieren Frauen nicht über ihre Funktionen als Mutter, Ehefrau, etc., sondern nehmen sie in ihrer Ganzheitlichkeit wertfrei wahr.

Was denkst du, wohin wird sich das FBZ in Zukunft weiterentwickeln?

Das FBZ leistet großartige frauenpolitische Arbeit und bietet Frauen Unterstützung am Weg zur beruflichen und persönlichen Erfolgsstory. Das ist auch für die Zukunft unsere Kernkompetenz.

Frauen zu empowern, ihnen realistische Perspektiven aufzuzeigen und sie bei der Entwicklung der eigenen Kompetenzen und Ziele unterstützen, um nicht nur selbstbestimmt, sondern vor allem finanziell unabhängig zu sein. Der Grundstein dafür liegt in unserer feministischen Haltung – zu verstehen im Sinne der ersten österreichischen Frauenministerin:

„Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft’. Sie ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.“

Johanna Dohnal
Welche gesellschaftspolitischen Änderungen würdest du dir wünschen, damit Chancengleichheit eine Selbstverständlichkeit wird?

Wir sind immer noch gefangen in Geschlechterrollen und Stereotypen!

Für mich ist Chancengleichheit ist eine Frage der Gerechtigkeit.

Ich wünsche mir eine Frauenministerin, für die das Wort Feminismus kein Feindbild ist und die ihre Augen vor unseren gesellschaftspolitischen Problemen nicht verschließt. Offensichtlich ist es in Vergessenheit geraten, dass Feminismus grundsätzlich „Gleichberechtigung der Geschlechter bedeutet“. Es geht auch um nach wie vor um die unterschiedlich angelegten Maßstäbe für Männer und Frauen im Job, wie z.B. dass Frauen nach ihren Karenzzeiten plötzlich an schlechteren Positionen sitzen.

Weiters wünsche ich mir Entlohnung und Anerkennung der Care-Arbeit, da Frauen im Schnitt pro Woche immer noch um 12,5 Stunden mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer.

Und um allen Frauen die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit zu geben, wünsche ich mir (vor allem im ländlichen Bereich) eine flächendeckende Kinderbetreuung mit längeren Öffnungszeiten. Und – die Etablierung des Fachs „finanzielle Bildung“ in den Schulen.