Nachhaltigkeit: Das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, Gerechtigkeit zwischen den heute lebenden und zukünftigen Generationen durch die Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Erzielung eines anderen, eines ressourcenärmeren Wohlstands. Was für ein Thema, was für eine große Aufgabe für uns alle.

Über den Luxus des nachhaltigen Lebens

Wir machen uns daher zunehmend Gedanken darüber, ob wir uns ein Elektroauto anschaffen sollten, nehmen uns vor weniger zu Fliegen und mehr Zug zu fahren und installieren eine Photovoltaik-Anlage am Dach. Der Einkauf wird bewusst gewählt. Möglichst bio, möglichst regional und möglichst umweltschonend produziert. Wenn schon Fleisch, dann nur mehr in Bioqualität. Dass das vielfach mit hohen Kosten verbunden ist merken wir spätestens bei den zusehends höher ausfallenden Rechnungen. Es sind daher Entscheidungen, wenngleich sehr wichtige, die man sich erst ab einer gewissen finanziellen Sicherheit überhaupt stellen kann.

Was heißt das dann für Armutsbetroffene und welche Auswirkungen hat die Umweltoffensive auf diese, wenn damit nicht auch eine Sozialoffensive einhergeht? Was heißt es, wenn Mieten wegen notwendiger Energiesparinvestitionen steigen, wenn Lebensmittel teurer werden, wenn man den Anforderungen der sich derzeit wandelnden Arbeitswelt nicht mehr entspricht, wenn man nicht mehr mitpartizipieren kann?

Wird dadurch nachhaltiges Leben zum Privileg für Wohlhabende?

Nein, so ist es nicht, denn trotzdem leben Armutsbetroffene aufgrund ihres Konsumverzichts meist ohnehin ökologisch nachhaltiger und hinterlassen weit weniger Fußabdrücke als die umweltbewusst lebende Mittel- und Oberschicht. Da könnte man fast verleitet werden den nachhaltigen, auf Konsumverzicht beruhenden, Lebensstil einkommensschwacher Haushalte zu idealisieren. Dieser aus Mangel resultierende Lebensstil kann aber natürlich nicht Vorbild sein, wenn die Ressourceneinsparungen mit sozial und ökonomisch nicht nachhaltigen Einschränkungen von Lebensqualität einhergehen.

Die Corona Pandemie hat Themen wie Arbeitslosigkeit und soziale Herausforderungen nach vorne gerückt, werden diese aber auch noch Platz haben, wenn der Wirtschaftsmotor wieder anläuft? Es wird nie dagewesene Investitionen in die so wichtigen Bereiche Ökologie und Digitalisierung geben, aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass es auch eine soziale Offensive brauchen wird, um Menschen nicht langfristig zurückzulassen.

Soziale Gerechtigkeit als Voraussetzung für Nachhaltigkeit

Lange wurde mit dem Thema Nachhaltigkeit vordergründig das Thema Ökologie in Verbindung gebracht. Vor allem die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, haben aber dazu beigetragen, dass Ökonomie, Ökologie und Soziales samt ihren Vernetzungen mittlerweile gemeinsam betrachtet werden. Das Thema soziale Ungleichheit ist nun eng mit ökologischen und entwicklungspolitischen Zielen verknüpft. Bis heute wird allerdings immer noch die soziale Dimension von Nachhaltigkeit unterschätzt. Dabei sind soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt ja eigentlich Bedingungen für den Erfolg eines ökologischen Umbaus.

Wenn wir über soziale Nachhaltigkeit sprechen, dann über Themen wie eine gerechte Einkommensverteilung, Generationengerechtigkeit, Sicherung der Grundbedürfnisse und der Armutsbekämpfung, Gleichstellung der Geschlechter und ein solidarisches Miteinander. Sie zielt auf ein menschenwürdiges Leben ab, die Verteilung gesellschaftlicher Belastungen, Verteilung von Arbeit, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und auf Chancengleichheit.

Allen Menschen soll die Möglichkeit gegeben werden ein von Wohlstand geprägtes und erfülltes Leben zu genießen. Einen Wohlstand, der sich durch technologischen, sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt in Einklang mit der Natur vollzieht.

Gute Arbeit für ein gutes Leben

Voraussetzung für ein gutes Leben ist allerdings, dass die notwendigen materiellen aber vor allem auch immateriellen Grundbedürfnisse gedeckt werden können. Dabei spielt das Thema Arbeit eine zentrale Rolle. Erwerbsarbeit ermöglicht durch das Einkommen materielle Existenzsicherung, aber vor allem auch soziale und gesellschaftliche Teilhabe. Daher ist Erwerbsarbeitslosigkeit nicht nur in materieller Hinsicht ein Problem. Die Koppelung vieler sozialer Rechte wie Arbeitslosengeld und Pensionen an den Erwerbsstatus führt zudem zu hohen Risiken für viele Personengruppen, häufig auch Frauen, die beispielsweise aufgrund von Sorgearbeit oder Teilzeitbeschäftigung keine finanzielle Sicherheit haben.

Wer sind denn die betroffenen Menschen, die Probleme haben „gute Arbeit“ zu finden und damit auch Schwierigkeiten haben, sich ein gutes Leben zu verwirklichen? Zunächst denken wir hierbei häufig an Ältere (ja, ab 45 zählt man da dazu), die keine Chance am Arbeitsmarkt mehr haben, Menschen mit Beeinträchtigung, Menschen mit psychischen Erkrankungen, Jugendliche ohne Ausbildung und häufig aus schwierigen sozialen Verhältnissen oder Menschen mit Flucht –und Migrationshintergrund. An wen man dabei aber weniger denkt sind prekäre neue Selbständige und Ein-Personen-Unternehmen, Personen, die Erwerbs- und Sorgearbeit wie Kinderbetreuung und Altenpflege unter schwierigen Rahmenbedingungen vereinbaren wollen oder müssen. „Gute Arbeit“ fehlt aber auch Personen, die im Arbeitsleben wirtschaftlich erfolgreich sind, deren Arbeitsinhalte aber so gestaltet sind, dass sie ihren eigenen moralischen Vorstellungen, ihrer körperlichen oder seelischen Gesundheit oder dem Gemeinwohl damit nachhaltig schaden.

Und auf einmal sind das verdammt viele Menschen die von einer Entwicklung betroffen sind, die die Verwirklichung eines guten Lebens schwierig macht.

Wir sind im selben Sturm

Was kann hier also getan werden.

Wir müssen Arbeit neu denken, das Modell der „Tätigkeitsgesellschaft“ betont beispielsweise, dass Erwerbsarbeit, Sorge- bzw. Eigenarbeit und gemeinwesensorientierte Arbeit gleichwertig sind. Ein Recht auf Arbeit bedeutet dann, wenn man das so betrachtet, nicht nur das Recht auf Erwerbsarbeit, sondern es bedeutet Teilhabe und Teilnahme an allen drei Bereichen der menschlichen Arbeit, die alle für das gute Leben von Bedeutung sind und uns mit Sinn erfüllen können. Darin inbegriffen ist die Vision, eine gerechtere Verteilung aller drei Teile der Arbeit unter den Geschlechtern und damit mehr Chancengerechtigkeit zu ermöglichen. Denkt man Arbeit nicht umfassend neu, dann bleibt die spaltende Logik des entweder Ganz-Drinnen-Seins in einer Welt, die sich über Leistung in der Erwerbslogik definiert, oder des Ganz-Draußen-Seins.

Die Wirtschaft sollte zudem beginnen, die ganze Gesellschaft in ihrer großen Diversität zu umfassen. Auch Unternehmen sind deshalb aufgefordert, der Entstehung einer Gruppe von „Außenstehenden“ gemeinsam mit Politik und Gesellschaft durch aktive Inklusionsbemühungen entgegenzuwirken. Manche Arbeiten, die durch Automatisierung oder auf andere Weise verschwinden könnten, können eine wertvolle Funktion im Leben vieler Menschen erfüllen und der Gesellschaft insgesamt dienlich sein. Wichtig wäre, dass man darauf einwirkt, dass wir nicht nur die Wirtschaft aus der Krise holen, sondern auch die soziale Krise bekämpfen. Weil das eine nur mit dem anderen gemeinsam geht.

Setzen wir uns für gerechte Löhne und soziale Absicherung ein. Warum akzeptieren wir einfach, dass Care Arbeit schlechter oder überhaupt nicht bezahlt wird?

Unterstützen wir Sozialunternehmen und Unternehmen, die ihren Mitarbeiter*innen einen guten Arbeitsplatz bieten und Verantwortung übernehmen. Es gibt alleine mehr als 2300 Sozialunternehmen in Österreich (die zu mehr als der Hälfte von Frauen geführt werden), da findet man sicher eines, das man unterstützen könnte.

Vor einiger Zeit ist ein Zitat auf meiner Facebook-Seite gelandet und ich finde, dass es die Situation, in der wir uns derzeit befinden sehr gut beschreibt:

„We are not all in the same boat. We are in the same storm. Some have yachts, some have canoes and some are drowning. Just be kind & help when you can!

nach Damien Barr

Schlussendlich geht es nämlich darum, eine gemeinsame Vision eines guten Lebens zu entwickelt und solidarisch darauf zu schauen, wie wir alle zusammen, die Älteren mit den Jungen, der Mensch mit der Natur, die finanziell Gutgestellten mit den Armutsbetroffenen, die Wirtschaft und Politik gemeinsam mit der Zivilgesellschaft ein gutes würdevolles Leben für alle schaffen können – und das bitte möglichst nachhaltig.

Über die Autorin:

Christina Staubmann ist Bereichsleiterin für Beschäftigung und Betriebe der Caritas Kärnten und nebenberufliche Lektorin an der Fachhochschule Kärnten.

Wir unterstützen in unseren Betrieben sowie unseren Arbeitsprojekten langzeitarbeitslose Frauen und Männer und bieten sinnvolle Beschäftigung neue Perspektiven. Ob seit 2016 in unserem Perspektive Handel Spar Supermarkt in Villach, unserem magdas LOKAL in Klagenfurt oder durch unsere neuen Projekte, die eine niederschwellige stunden- oder fallweise Beschäftigung für arbeitsmarktferne Menschen ermöglichen. Zudem erhalten die Menschen bei uns bei Bedarf eine begleitende Beratung und Therapie sowie sozialpädagogische Unterstützung. Auch unsere Carlas – die Second-Hand Shops der Caritas – entwickelten sich zu einem Ort der Begegnung und bieten heute auch Beschäftigung für langzeitarbeitslose Menschen.