Ich hatte schon immer einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und das Bedürfnis, gefährdete oder benachteiligte Gruppen zu schützen. Deshalb war mir auch seit dem 12. Lebensjahr klar, dass ich Rechtswissenschaften studieren möchte… Denn ich war davon überzeugt, Recht ist das Werkzeug für mehr Gerechtigkeit.

Dass es aber unser Planet ist, der mit höchster Priorität unseren Schutz bedarf, wusste ich damals noch nicht. Und noch viel weniger, dass ein geeignetes Werkzeug für mehr Gerechtigkeit, unser Konsumverhalten darstellt.

Zu dieser Erkenntnis kam ich erst, nachdem ich meine erste Karriere im juristischen Bereich beendet hatte, meinen „work hard, play hard“ Lifestyle hinter mir ließ und nach Südafrika ging, um einen Master in internationalem Umweltrecht zu studieren. Diese geplante einjährige Auszeit mündete in fast 7 Jahren (on & off) in Afrika und schließlich der Entscheidung, in meiner Heimatstadt eine Plattform für zukunftsfähigen Konsum zu gründen, um die Zero Waste Bewegung auch nach Kärnten zu bringen.

Was ist das Problem?
  • Globales Problem

Es gibt kaum mehr einen Ort auf dieser Erde, der nicht mit Müll verunreinigt ist. Am Boden des Marianengrabens, also etwa 11.000 Meter unter dem Meeresspiegel, liegt ein Plastiksackerl[1] und der Schnee an der Spitze des Mount Everest ist mit Mikroplastik verschmutzt[2]. Mittlerweile wird Mikroplastik nicht nur im Körper von Tieren, sondern auch im Körper von Menschen nachgewiesen. Laut einem Bericht der Weltbank, soll die globale Vermüllung bis 2050 noch um 70 % steigen, [3] obwohl die Belastungsgrenzen des Planeten schon ausgereizt sind.[4]

  • Nationales Problem

Müll ist nicht nur ein globales Problem, sondern auch ein nationales. So produziert in etwa Österreich im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel Haushalts-[5] und Plastikmüll[6], und kommt auf über 500 Kg pro Einwohner im Jahr.[7] Kärnten erzeugt pro Jahr etwa 97.000 Tonnen Haushaltsmüll. Davon sind etwa 21.500 Tonnen Verpackungsmüll und 14.600 Tonnen großteils noch genießbare Lebensmittel.[8]

  • Persönliches Problem

Einerseits zahlen wir als Verbraucher doppelt dafür: erst beim Einkauf und dann nochmal bei der Entsorgung. Andererseits kostet mich Mülltrennung und fachgerechte Entsorgung Zeit und Platz.

  • Werteproblem

Und der für mich wohl problematischste Aspekt: unsere Praktiken stehen für viele von uns im inneren Wertekonflikt. Es fühlt sich schlichtweg falsch an, wenn nach einem Lebensmitteleinkauf der Mülleimer voller ist als der Kühlschrank; unsere Kleiderschränke von oft ungetragenen Kleidungsstücken überquellen; die Garagen & Abstellräume bis oben hin voll sind und Produkte nach nur kurzer Zeit defekt und entsorgt werden.

  • Ressourcenproblem

Jetzt denken wir an all die Ressourcen, die in die Produktion der Dinge gehen, die wir kaufen: Rohstoffe, Zeit, Geld und Lebensenergie. Ressourcen, die knapp sind und über die wir manchmal gar nicht verfügen. Ressourcen, deren Verbrauch viel Konfliktpotential und oftmals Zerstörung und Leid mit sich bringen.

Wenn wir uns all diese Aspekte vor Augen halten, wird klar, dass eines der besten Dinge ist, die wir tun können: weniger kaufen, bewusster kaufen und so wenig Müll wie möglich produzieren. Mit dem absoluten Ziel: Zero Waste.

Was bedeutet „Zero Waste“?

„Zero Waste“ ist ein sehr plakatives Schlagwort, dass oft mit asketisch lebenden Menschen assoziiert wird, die ihren Restmüll eines Jahres in einem Marmeladeglas verstauen können. Manche fühlen sich durch das „Zero“ eingeschüchtert, finden es extremistisch oder glauben, es nimmt wieder nur uns Konsumenten in die Verantwortung.

Keine Angst vor Zero Waste!

Bei Zero Waste geht es um „Die Erhaltung von Ressourcen durch verantwortungsvolle Produktion, Verbrauch, Wiederverwendung sowie Verwertung von Produkten, Verpackungen und Materialien ohne Verbrennung und ohne umwelt- oder gesundheitsgefährdende Entsorgung in Boden, Wasser oder Luft!“ (Zero Waste International)

Vorweg: „Zero“ bedeutet nicht wirklich Null! Dies ist in unserer derzeitigen Gesellschaft gar nicht möglich. Und der Begriff „Waste“ beinhaltet auch nicht nur Müll, sondern ganz allgemein die Verschwendung von Ressourcen oder wie ich es gerne nenne, den „Verlust“ von Ressourcen.

Einfach ausgedrückt geht es darum, in der Produktion möglichst keine Ressourcen zu verschwenden, sodass am Ende möglichst wenig Müll generiert wird, damit auch Bevölkerungsgruppen in anderen Teilen der Erde, sowie zukünftige Generationen, ihre Bedürfnisse auf diesem Planeten stillen können.

„Zero Waste“ gibt uns also einen Rahmen, der viele Konzepte der Nachhaltigkeit umschließt (Kreislaufwirtschaft, Recycling, Klimaneutralität etc.). Zero Waste nimmt einerseits die kollektive Ebene in die Verantwortung, denn es geht darum unsere Infrastruktur, Geschäftsmodelle und Produkte neu zu designen. Andererseits betrifft es unsere individuelle Ebene, denn wir müssen unsere Werte und Praktiken überdenken, um zukunftsfähige Wege zu finden, unsere Bedürfnisse zu stillen.

Am überzeugendsten ist, dass der„Zero Waste“ Ansatz eine sehr einfach anzuwendende Reihe an Grundsätzen mit sich bringt, die mit sofortiger Wirkung unseren Fußabdruck verringern und Hilfe in der Umweltkrise bieten. Die 5 R Methode:

Kann ich, als nur eine Person, wirklich einen Unterschied machen?

JA! Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, die Auswirkungen auf unseren Planeten haben. Und Du entscheidest, ob diese positiv oder negativ sind. Wie komme ich in die Arbeit? Wie kaufe ich Lebensmittel? Was esse ich? Was brauche ich wirklich? Alles ist miteinander verbunden.

Mit kleinen Schritten kannst Du große Veränderungen bewirken. Denn auch öffentliche Strukturen und Unternehmen bestehen nur aus einer Ansammlung von Individuen.

 „Zero Waste“ ist nicht nur gut für die Umwelt, es ist auch gut für Dich, Deine Familie und die Gesellschaft im Allgemeinen.

Es verbessert sich Deine Lebensqualität, mit den angenehmen Nebeneffekten, dass man besser isst, sich besser fühlt, Geld gespart wird, die Qualität der Beziehungen gesteigert werden und am Ende des Tages nicht der Müll raustragen werden muss!

Mehr zur Integration von Zero Waste in den Alltag und Unternehmen, lernt ihr bei unseren Workshops. Aktuelle Termine unter www.kleine-freiheit.at

Über die Autorin:

Sophie Meierhofer ist Magistra Juris, verfügt über einen Master in Internationalen Umweltrecht und eine Ausbildung als Trainerin für Unternehmen im Bereich „Innovation durch Kreislaufwirtschaft“. Bevor sie im Juni 2022 zurück nach Kärnten kam, hat sie in Zürich ein Start-Up im Bereich „Access to Energy“ mit aufgebaut. Im August 2022 gründete sie in Klagenfurt die „Kleine Freiheit“, eine Plattform für zukunftsfähigen Konsum. Die Kleine Freiheit besteht aus 3 Säulen: Einem Lebensmittelhandel – als notwendige Infrastruktur – in dem Zugang zu unverpackten Lebensmittel und plastikfreien Drogerie- & Haushaltsartikel bei maximaler Regionalität geschaffen wird. Dem B2B Bereich, in dem durch Projekte den „Zero Waste“ Ansatz in Unternehmen integriert wird. Und dem Herzstück „Community-Building“, das zum Ziel hat, eine nachhaltige Gemeinschaft in Kärnten zu schaffen, die sich gegenseitig in der Transformation motiviert und unterstützt.


[1] https://www.youtube.com/watch?v=_LTbrkpguys

[2] https://www.theguardian.com/environment/2020/nov/20/microplastic-pollution-found-near-summit-of-mount-everest

[3] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weltbank-warnt-weltweit-70-prozent-mehr-muell-bis-2050-15799045.html#:~:text=Die%20Weltbank%20hat%20vor%20einer,am%20Donnerstag%20in%20Washington%20mit.

[4] https://www.duh.de/projekte/planetare-grenzen/

[5] https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/abfall/abfall-daten, https://www.diepresse.com/5938185/oesterreich-produziert-im-eu-vergleich-ueberdurchschnittlich-viel-muell

[6] Greenpeace, PLASTIKVERBRAUCH UND RECYCLING IN ÖSTERREICH, MEDIENBRIEFING 

[7] https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/abfall/aws/bundes_awp/bawp.html

[8] Kärntner Abfallanalyse-Bericht, https://www.ktn.gv.at/Service/News?nid=30552