In der Natur bestaunen wir die Vielfalt… Warum nicht auch im menschlichen Sein? Vielfalt macht unsere Welt bunter, reicher, bringt Stärken zutage, macht mitunter Unmögliches möglich. In meinem beruflichen und privaten Alltag kann ich beobachten, dass immer noch etliche Probleme mit Personen haben, die z.B. im Rollstuhl unterwegs sind, die ihre Geschlechteridentität offen ausleben oder die kognitiv oder psychisch beeinträchtigt sind. Der offene Umgang mit Diversität ist eine Herausforderung, der sich viele am liebsten entziehen, indem sie wegschauen, verdrängen oder ignorieren. Das funktioniert auch recht gut – zumindest, solange man nicht selbst betroffen ist. Denn erst dann oder wenn es Angehörige betrifft, bekommt man die volle Härte der Situation zu spüren. Längst sind nicht alle Wege und Zugänge zu Gebäuden barrierefrei (das konnte ich schon im Zuge einer simplen Knieverletzung feststellen, die mich an Krücken gehen ließ), sind Texte in leicht verständlicher Sprache oder gendergerecht verfügbar etc.

Gleichberechtigung für alle

In den letzten Wochen ist es mir ganz besonders aufgefallen: ob es Artikel in den Printmedien waren oder TV-Beiträge über Fachtagungen, Demonstrationen, die Eröffnung von diversen Beratungsstellen etc., Inklusion und Diversity sind in vieler Munde und das ist einerseits gut so. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes Bewegung in das Thema gekommen. Andererseits zeigt es aber auch, wie sehr die gleichberechtigte Einbeziehung von Menschen mit sogenannten besonderen Bedarfen in unserer Gesellschaft noch nicht selbstverständlich ist. Immer noch müssen wir darum kämpfen, dass alle Menschen gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, dass Andersartigkeit als Bereicherung und nicht als Handicap betrachtet wird.

Es beginnt mit dem Umdenken in unseren Köpfen

Vielfalt und Andersartigkeit als Potenzial zu sehen, sollte auf allen Ebenen des menschlichen Daseins das Gebot der Stunde sein. Und da sollten wir zuallererst bei uns selbst anfangen und unsere Einstellung zu diesen Dingen überprüfen. Wie verhalten wir uns im öffentlichen Raum, am Arbeitsplatz, im Privatbereich gegenüber Menschen, die anders sind, die nicht dem entsprechen, was mir das soziale Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, vermittelt hat. Wir alle sind das Ergebnis unserer Erziehung, was nicht heißt, dass wir uns nicht verändern können. Nehmen wir die Verantwortung für eine gleichberechtigte Gesellschaft in unsere Hände, seien wir Vorbild, gewinnen wir den für Kinder selbstverständlichen und unvoreingenommen Umgang mit Andersartigkeit zurück. Fragen wir nicht: „Warum bist du anders?“, sondern „Was brauchst du, um gleichberechtigt und erfüllt am Arbeits- und Sozialleben teilhaben zu können?“

Wir sind diejenigen, die unsere Gesellschaft gestalten, die Politik machen, die im eigenen Wirkungsbereich Veränderungen bewirken können.

Inklusion und Diversity am Arbeitsplatz

Anerkennung von Diversity und Inklusion bedeutet, dass alle Menschen wertschätzend wahrgenommen und einbezogen werden, unabhängig von ihren individuellen Merkmalen. Das ist ein Menschenrecht und in der UN-Behindertenrechtskonvention, die 2006 verabschiedet und von 185 Staaten ratifiziert wurde, verankert. Die Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (2021-2030) der Europäischen Kommission mit einem Aktionsplan für die Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen verbietet deren Diskriminierung und soll Chancengleichheit ermöglichen. Dabei spielt die Förderung von persönlichen Assistenzleistungen im Privatbereich und am Arbeitsplatz eine wesentliche Rolle. Gerade im Umfeld Arbeit sind die strategische Ausrichtung und die konsequente und kontinuierliche Umsetzung von Maßnahmen auf verschiedensten Ebenen Voraussetzung für eine gelungene Inklusion. Dazu gehört ein Leitbild, das Inklusion und Diversity fördert, in dem die Unternehmensführung verpflichtet wird:

  • Inklusion und Diversity vorzuleben, Chancengleichheit zu fördern und zu kommunizieren;
  • eine Unternehmenskultur zu schaffen, die auf Respekt, Wertschätzung, Offenheit und Vertrauen basiert;
  • geeignete Infrastrukturen und Arbeitsprozesse zu schaffen, welche die Teilhabe und Zusammenarbeit aller Beschäftigten ermöglichen;
  • die Kompetenzen der Beschäftigten im Umgang mit Inklusion und Diversity zu schulen und ggf. erforderliche Formate für Mentoring und/oder Coaching zur Verfügung zu stellen;
  • die Human Resources nach den Kriterien von Inklusion und Diversity auszurichten;
  • betriebliche Maßnahmen zu Inklusion und Diversity regelmäßig zu evaluieren und zu verbessern (Stichwort Qualitätsstandards).

Inklusion und Diversity sehe ich nicht nur als eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung, sondern sie bietet auch ungeahnte wirtschaftliche Chancen. Mit ihren z.T. herausragenden speziellen Fähigkeiten können Menschen mit besonderen Bedarfen eine Bereicherung für das Unternehmen und seine Belegschaft sein. Das darf ich in meiner täglichen Arbeit hautnah miterleben.

Zur Autorin:

Diana S. Kolle hat ein Studium der Sprachwissenschaften und eine pädagogische Ausbildung absolviert. Sie ist Wirtschaftstrainerin und Coach und seit 2005 bei pro mente kärnten in der beruflichen Rehabilitation von psychosozial beeinträchtigten Menschen beschäftigt. Seit 2015 ist sie Projektleitung des Berufstrainings sowie Fachbereichsleitung für Training und Prävention. Seit 2020 hält sie „Erste Hilfe für die Seele“ Seminare und bildet Ersthelfer*innen für psychische Gesundheit aus.