Keine Kinder zu haben, hat in unserer Gesellschaft nach wie vor einen gewissen Touch von Egoismus. Den Kinderwunsch der Karriere zu opfern, ist mittlerweile irgendwie gesellschaftlich akzeptiert, was aber, wenn man sich trotz Kinderlosigkeit und entsprechender Qualifikation dennoch gegen eine Karriere oder gar für eine Teilzeitbeschäftigung entscheidet. Ist dies dann ähnlich oder gar noch egoistischer, vergeudet man sein Potenzial?

Ich persönlich habe trotz Kinderlosigkeit nicht die Karriereleiter erklommen und arbeite seit mehreren Jahren aus verschiedenen Gründen in Teilzeitbeschäftigung. Und ich habe durchaus des Öfteren das Gefühl, meine Situation und die Entscheidung für Teilzeit zumindest fallweise erklären oder gar rechtfertigen zu müssen.

Sind Kinderlose egoistisch?

Als selbst Betroffene habe ich in den letzten Jahren viel den Austausch mit Frauen gesucht, die aus den verschiedensten Gründen ungewollt kinderlos sind, dabei oft alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft haben und wirklich sehr unter dieser Situation leiden oder den Weg der Adoption gegangen sind. Selbst wenn oder vielleicht gerade, weil man sich mit der Kinderlosigkeit abgefunden hat und die positiven Aspekte sieht und lebt, gibt es Situationen, in denen man zumindest das Gefühl hat, erwähnen zu wollen, dass man sich nicht bewusst für die Kinderlosigkeit entschieden hat.  

Es sind manchmal nur Sätze wie „Das kannst du auch nur deshalb, weil du keine Kinder hast“ oder „Ihr habt keine Kinder, richtig?“, oft mit gewissem Unterton geäußert, wenn man z.B. von Urlaub außerhalb der Schulferien berichtet, die dieses Gefühl hervorrufen. Ein Leben ohne Kinder ist natürlich mit gewissen Vorteilen verknüpft und natürlich kommen die auch bei ungewollter Kinderlosigkeit zu tragen.

Eine Frage, die sich mir auf Basis dieses Austausches und auch von Gesprächen im Freundeskreis allerdings stellt, ist die nach der körperlichen Selbstbestimmung der Frau, wenn es um die medizinischen Möglichkeiten bei unerfülltem Kinderwunsch geht. Die Entscheidung für oder vor allem gegen Kinder ist natürlich auch immer eine gemeinsame, aber ist es egoistisch, dem eigenen Körper nicht alles zumuten zu wollen, was notwendig ist, um dem unerfüllten Kinderwunsch nachzuhelfen?

Eine Tatsache ist jedenfalls, dass die einzige Entscheidung in diesem Zusammenhang, die man bewusst treffen kann, die ist, keine eigenen Kinder bekommen zu wollen. Die Entscheidung, jedenfalls eigene Kinder haben zu wollen, kann man zwar treffen, ob man tatsächlich welche bekommt, hängt letztendlich nicht von einem selbst ab.

Keine Karriere, vergeudetes Potenzial?

Vor allem die Entscheidung, ohne Notwendigkeit wegen Betreuungspflichten „nur“ Teilzeit arbeiten zu wollen, stößt zumeist auf Unverständnis. Wie kann es sein, dass man, ohne durch Kinder eingeschränkt zu sein, dennoch nicht die Chance ergreift und sich voll auf die Karriere stürzt?

Zugegeben, ich war nie der Typ Karrierefrau, zumindest nicht im Sinne vom Wunsch in die Führungsebene aufzusteigen. Ich konnte mir sogar gut vorstellen, meinen Beruf für eine Familie hintanzustellen. Kinder gehörten für mich zu meiner Lebensplanung eigentlich immer dazu, allerdings hatte das Leben andere Pläne. Und so bin ich nun, was man wohl landläufig als ungewollt kinderlos bezeichnet. Meine Lebensplanung hat sich geändert, meine grundsätzliche Lebenseinstellung allerdings nicht.

Wegen eines Kindes keine Karriere machen zu können bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass man automatisch ohne Kind unbedingt Karriere machen möchte.

Natürlich kann man Teilzeitbeschäftigung nicht verallgemeinern, leider tut dies auch die derzeitige politische Diskussion über die geplante Schlechterstellung von Teilzeitangestellten. Es wundert mich, dass selbst im Zeitalter der Digitalisierung nur Vollzeitbeschäftigung als vollwertiger Beitrag zur Wirtschaft angesehen wird. Nicht nur von der Politik, auch von Firmen wird Teilzeit oft sehr negativ betrachtet.

Auch wird beruflicher Erfolg oft mit Aufstieg in die Führungsebene und Zuwachs auf dem Gehaltskonto gleichgesetzt. Dabei gibt es sicherlich auch noch andere Faktoren, die man damit in Verbindung bringen kann.

Kann man sein Potenzial wirklich nur in Vollzeitbeschäftigung und in einer Führungsposition ausschöpfen?  

Wer mich und meine persönliche Geschichte kennt, weiß, dass ich abgesehen von meiner grundsätzlichen Einstellung zum Thema Karriere gute Gründe habe, warum ich mich trotz vielfältiger Möglichkeiten für eine Teilzeitbeschäftigung entschieden habe.

Allerdings stellt sich mir die Frage: Warum hat man überhaupt das Gefühl, es braucht gute Gründe?

Zur Autorin

DI.in Sigrid Fürst ist Lebensmittel- und Biotechnologin. Nach aktiver Tätigkeit im Bereich Analytik und Qualitätsmanagement seit 2021 als Akkreditierungsexpertin in Klagenfurt tätig. Seit 2014 arbeitet sie in unterschiedlichem Ausmaß in Teilzeit und ist in geringem Ausmaß nebenberuflich als Tiermasseurin und Bewegungstrainerin tätig.