Ja, das klingt sehr drastisch. Keine Frage. Wie ich darauf komme? Fangen wir ganz vorne an. Beim Kreditschutzverband von 1870 können wir Verschuldung sehr gut analysieren – vor allem, wenn es sich um Privatinsolvenzen handelt. In der Regel verschulden sich die Österreicherinnen und Österreicher über einen längeren Zeitraum. Der Konkurs stellt sozusagen den Endpunkt dar. Unserer jüngsten österreichweiten Analyse zufolge sind Frauen weniger stark von Insolvenzen betroffen als Männer. Das ist – für die Frauen – eine gute Nachricht. In Zahlen: 2021 wurden 37 Prozent der Verfahren von Frauen angemeldet und vice versa 63 Prozent von Männern. Darüber hinaus sehen wir, dass Verschuldung bei ihnen stärker durch Lasten aus der Familie (vor allem aufgrund der Übernahme von Haftungen) und die Reduktion des Familieneinkommens zustande kommt. Bei Männern ist es anders: Ihre Schulden lassen sich primär auf ehemalige Selbständigkeit und Arbeitslosigkeit zurückführen. Im Vergleich neigen sie auch eher zu risikobehaftetem Verhalten (Unfall, Drogen, Spekulation usw.), das in einer finanziellen Misere endet, wie die Insolvenzdaten belegen.

Wenn der Partner der Falsche ist

Auch aus persönlicher Erfahrung vor Gericht weiß ich: Eine Vielzahl von Schuldenregulierungsverfahren (Privatkonkursen) von Frauen in Kärnten steht im Zusammenhang mit gemeinsamen Krediten oder Haftungen, die aufgrund von Trennungen nicht mehr bedient werden können. Den schwarzen Peter hierfür den Banken zuzuschieben, halte ich für nicht gerechtfertigt. Nur wenige Österreicher finanzieren Wohnraum für ihre Familie ausschließlich durch Rücklagen. In der Regel wird ein Kredit benötigt. Zudem wird Wohnraum eher teurer als günstiger. So kommt es auch, dass die Hälfte der Österreicher zumindest eine laufende Kreditverbindung hat. Über kurz oder lang können viele von ihnen nach Ende der Laufzeit eine Wohnung oder ein Haus ihr Eigen nennen. Aber: Bei Trennungen geht die Rechnung häufig nicht auf.

Finanzielle Unabhängigkeit schützt

Vom gesellschafts- aber auch wirtschaftspolitischen Standpunkt aus betrachtet muss es daher das Ziel sein, Frauen in die Lage zu versetzen, ihr Leben finanziell selbständig bestreiten zu können. Und hier ist an mehreren Stellschrauben zu drehen. Bildung ist eine davon. Die Hausfrau ohne Berufsausbildung oder relevante Berufspraxis ist sicherlich das riskanteste Lebensmodell, wenn es um die Insolvenzgefährdung geht. Zum Glück hat sich das herumgesprochen. Bei den Privatkonkursen sehen wir heute häufiger Frauen, die zwar grundsätzlich über eine schulische Ausbildung verfügen, jedoch ist sie im Bildungsspektrum eher unten angesiedelt. Abgeschlossene Ausbildungen, Fachausbildungen, mittlere und höhere Schulausbildungen sowie nur verhältnismäßig kurze Abwesenheiten vom Arbeitsmarkt versetzen Frauen in die Lage, ihr Leben finanziell unabhängig bestreiten und Krisen besser überstehen zu können. Ich möchte aber auch nicht falsch verstanden werden. Ich bin nicht der Meinung, dass heutzutage jede Frau eine Akademikerin werden muss. Aber wenn ich mir die Antragstellerinnen von Schuldenregulierungsverfahren in Kärnten ansehe, dann kann ich festhalten, dass selten eine Akademikerin dabei ist. Das liegt unter anderem daran, dass das Gehaltsniveau ein anderes ist und höher qualifizierte Jobs seltener von Arbeitsplatzstreichungen oder Kürzungen betroffen sind.

Das harte Los der Alleinerzieherinnen

Nicht unerwähnt lassen möchte ich die vielen Alleinerzieherinnen unter den Antragstellerinnen. Sie brauchen unterstützende Rahmenbedingungen in Bezug auf die Kinderbetreuung und die Mobilität – insbesondere in den ländlichen Bereichen! Was hilft es, wenn sie arbeiten wollen, aber nicht können, weil der Kindergarten keine Nachmittagsbetreuung anbietet. Hier gibt es zwischen Stadt und Land teils gravierende Unterschiede und zu viel Individualität bei den Betreuungsangeboten. Es muss flächendeckend die gleichen Regelungen sowie eine durchgängige Betreuung in den Ferien geben. Ein weiterer Faktor ist die immer wieder geforderte Mobilität, die im ländlichen Bereich ohnehin unabdingbar ist. Nicht jeder hat gleich nebenan 20 Firmen, die Mitarbeiter suchen oder kann mal eben mit der U-Bahn oder Straßenbahn rasch eine größere Distanz überbrücken. Unsere Lebensrealität in Kärnten ist eine andere. Es braucht auch in diesem Bereich Unterstützung bzw. ein verbindungsstarkes öffentliches Verkehrssystem. Das alles würde Frauen in die Lage versetzen, ihre Schulden noch besser zurückzahlen zu können. Und im Sinne der Gläubiger wäre es auch. Die eingangs erwähnte Analyse zeigt zudem, dass Frauen vereinbarte Zahlungspläne bei Privatkonkursen spürbar verlässlicher erfüllen als Männer. Es zahlt sich also aus, auf die Frauen zu setzen.

Über die Autorin:

Barbara Wiesler-Hofer hat an der Karl-Franzens-Universität in Graz Rechtswissenschaften studiert, 1995 abgeschlossen und ein Gerichtsjahr beim Bezirksgericht und beim Landesgericht Klagenfurt angehängt. Erste berufliche Erfahrung sammelte die leidenschaftliche Läuferin in der Rechtsabteilung der Mazda Bank Austria AG, bis sie 2000 als Mitarbeiterin in der KSV1870 Insolvenzabteilung in Kärnten tätig wurde. Bereits drei Jahre später stieg sie zur Leiterin der Insolvenz auf. 2008 erfolgte die Bestellung zur Leiterin des KSV1870 Standorts Klagenfurt. 

In ihrer Funktion als Standortleiterin verantwortet Wiesler-Hofer die professionelle Abwicklung der Unternehmens- und Privatinsolvenzen im Bundesland. Zu ihren Hauptaufgaben zählt das Verhandeln im Rahmen von Tagsatzungen bei Gericht und die umfassende Information der Gläubiger über den Verlauf von Insolvenzverfahren. Neben ihrer Tätigkeit als Insolvenzexpertin steht Barbara Wiesler-Hofer gemeinsam mit ihrem Team den Kärntner KSV1870 Mitgliedern, Kunden und Geschäftspartnern auch in den Bereichen Information und Inkasso beratend zur Seite. Der KSV1870 zählt zu den führenden Wirtschaftsplattformen Österreichs. www.ksv.at