Zugegeben: Die Politik scheint ein unmoralisches Geschäft zu sein. Die jüngste Bestätigung dafür liefern diverse Kurznachrichten auf Mobiltelefonen von engen Mitarbeiter*innen von Spitzenpolitiker*innen oder Spitzenbeamt*innen. Politik ist auch ein undankbares Geschäft. Darüber klagen vor allem Bürgermeister*innen, ein Amt das Frauen kaum anstreben.

Das ist vielleicht ein Grund für die große Leerstelle bei Frauenpolitik in Österreich. Immer wieder wird aber auch betont, dass eh so viel weitergegangen sei bei der Gleichstellung und es Frauenpolitik in diesem Sinne gar nicht mehr benötige. Doch stimmt das wirklich?

Hartnäckige Vorurteile

Ich will mich in diesem Beitrag der Frauenpolitik von zwei Seiten nähern. Die erste Frage lautet: Braucht es eigentlich heute noch ein Frauenministerium, wenn doch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern in allen Bereichen viel geringer sind als die Unterschiede innerhalb eines Geschlechts, egal ob wir dabei Frauen oder Männer betrachten? Ich meine ja, unbedingt. Denn sowohl beim Gender Pay oder Pension Gap als auch bei den Quoten in Führungspositionen oder bei Vätern in Karenz befindet sich Österreich im internationalen Vergleich im beschämenden hinteren Feld.

Das weist vor allem darauf hin, dass wir trotz formaler Gleichstellung in Gesetzen und Richtlinien immer noch von traditionellen Geschlechterrollen in unserem täglichen Tun geprägt sind. Daraufhin befragt, würden wohl viele diesen Umstand empört von sich weisen. Aber die unbewussten Stereotype im Kopf sind meist die hartnäckigsten, wie wir wissen.

Nicht der richtige Moment

Angesichts von Krieg in Europa durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, wirkt die Forderung nach mehr Frauenpolitik tatsächlich banal. Aber die vorrangig von Männern beherrschte Welt fordert immer andere Prioritäten. 2008 die Finanzkrise, 2015 die Flüchtlinge, 2019 Ibiza und die Korruption, 2020 Corona, schon viele Jahre die Klimakrise und nun eben Krieg. Der richtige Zeitpunkt für Frauenpolitik kommt wahrscheinlich nie. Die Notwendigkeit hat hingegen zugenommen wenn wir Indizien wie dem traurigen Spitzenplatz Österreichs bei Frauenmorden oder dem Backlash in alte Rollenbilder im Zuge von Lockdowns, Homeoffice und Homeschooling folgen.

Die Antwort auf die erste Frage lautet also: Ja, es braucht eine Ministerin, eine Landesrätin, Gleichstellungsbeauftragte und -gremien auf allen Ebenen und in allen Bereichen, inklusive der Wirtschaft. Es ist erstens nie der richtige Zeitpunkt für Frauenpolitik und zweitens ist Gleichstellung kein linearer Prozess. Das bedeutet, dass jeder Fortschritt nicht als abgesichert gelten darf und wir jeden Erfolg gut hüten müssen.

Empowerment für weibliche Politik

Die zweite Frage lautet: Müssen und sollen Frauen aktiver gefördert werden, entscheidende Positionen in der Politik anzustreben? Hier fällt die Antwort zugegeben zwiespältig aus. Einerseits, weil Gleichstellung auch Aufgabe der Männer sein muss. Erst wenn sie erkennen, dass etwa eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- bzw. Carearbeit auch für sie zu einem besseren Leben führt, lässt sich das Ziel der Gleichstellung erreichen. Es ist ohnehin eine Frage der Betrachtung: Armut in Form von fehlenden sozialen Kontakten im Alter oder zu wenig beglückenden Erlebnissen im Alltag treffen zum Beispiel vor allem Männer. Eine kürzere Lebenserwartung oder höhere Suizidraten geben eindeutige Hinweise, dass ein klassisches Männerleben sicher kein besseres ist. Man(n) kann sich eben nicht alles kaufen.

Der Zwiespalt besteht auch darin, dass Frauen per se keine besseren Politiker*innen sind. Empirisch ist diese These schwer zu überprüfen, weil es leider noch zu wenig Forschungsobjekte gibt. Es ist fast ein wenig so wie bei den Grünen: Auch sie gelten als weniger korrupt, aber vielleicht hat ihnen bisher einfach die Gelegenheit dazu gefehlt.

Frauen sind keine besseren Politiker*innen

Wenn wir also nicht sicher sein können, ob Frauen einen besseren Job machen: Warum braucht es dennoch mehr Frauen in Entscheidungspositionen? Weil die moderne Welt nicht mehr einfach zu (be)greifen ist. Entwicklungen sind komplex, sprunghaft, mehrdeutig und greifen tief in unsere Leben ein. Daher braucht es für gute Entscheidungen in der Politik eine umfassende Expertise, einen Blick von verschiedensten Seiten, Einschätzungen aufgrund unterschiedlichster Lebenszusammenhänge. Dieses Komplettbild kann nur ein vielfältig zusammengesetztes Gremium erarbeiten. Gerade in Zeiten der Polarisierung müssen sich möglichst viele Menschen identifizieren können mit politischen Regeln. Abgesehen davon ist es ein demokratisches Grundprinzip, dass alle Betroffenen einer Entscheidung auch in diese eingebunden sein sollen. In einer repräsentativen Demokratie müssen Parlamente ein tatsächliches Abbild der Bevölkerung sein.

Das Dilemma mit der Solidarität

Abschließend stellt sich die Frage, warum Frauen mit ihrer Mehrheit in der Bevölkerung nicht längst die Welt zu ihren Gunsten verändert haben. Nun ja, weil Frauen eben sehr unterschiedlich sind in ihren politischen Grundhaltungen. Von liberal bis konservativ, von rechts bis links. Die vielen Möglichkeiten unsere Leben zu gestalten, werden uns immer entzweien. Eine Lösung zu Gunsten aller gibt es einfach nicht, nicht einmal im Sinne aller Frauen. Wir Frauen müssen aber lernen, unsere Unterschiede besser auszuhalten und dennoch solidarisch zu sein. Und wir sollten mehr Macht beanspruchen, auch wenn Politik sich derzeit als ein wenig attraktives Metier präsentiert. Doch wir sollten froh sein, dass es in einer Demokratie auch in unserer Hand liegt, das zu ändern. Nehmen wir uns Zeit für Politik!

Zur Autorin:

Kathrin Stainer-Hämmerle war Politik- und Rechtswissenschaftlerin an den Universitäten Innsbruck und Klagenfurt (IFF) und wechselte 2009 als Professorin für Politikwissenschaft an die Fachhochschule Kärnten, wo sie seit 2019 die Bachelor- und Masterprogramme für Public Management sowie die Forschungsgruppe Trans_space für den gesellschaftlichen Wandel leitet. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem: Österreichische Politik, Politische Bildung, Wahlrecht, Partizipations- und Demokratieforschung.