Frühestens 2035 wird man so weit sein, dass Menschen zum Mars fliegen können. Bis dahin wird mit Milliardenbudgets entwickelt, getestet und geforscht, um das Undenkbare möglich zu machen.

Rund 8 Mal so lange, nämlich noch 93 Jahre, wird es dauern, wenn wir den Gender Pay Gap, d.h. den geschlechtsspezifischen Unterschied in der Entlohnung von Männern und Frauen, schließen wollen.

Was haben nun bemannter Marsflug und Gender Pay Gap gemeinsam? Für beide gilt: wo ein Wille, dort ein Weg.

Wenn wir also nicht auf das Jahr 2116 warten wollen (und realistisch betrachtet, werden wir dies – selbst bei rasanten Fortschritten in der Medizin – nicht mehr erleben ?), bis sich unsere Urenkel über gleiches Geld für gleiche Leistung freuen, dann brauchen wir offensichtlich ein MEHR an WOLLEN, um uns einer Gleichstellung von Frauen und Männern rascher anzunähern.

Mit den Bemühungen, die wir in den letzten Jahren aufgebracht haben, wird die Gleichstellung in Aufsichtsräten „schon“ 2046, die Gleichstellung in Führungspositionen vielleicht 2049 und gleiche Bezahlung nochmals rund 66 Jahre später erreicht sein. Es kann doch nicht sein, dass sogar der private Trip zum Mars deutlich schneller realisiert sein wird als die berufliche Gleichstellung von Mann und Frau, die immerhin noch 3 Generationen benötigen könnte.

Vielleicht liegt es an den Anreizen. Die Aussicht auf die Erkundung potenziell neuen Lebensraums, die Entwicklung hochinnovativer Lösungen und das Prestige, bei den Pionieren der bemannten Raumfahrt zum Mars dabei gewesen zu sein, wiegen aus unternehmerischer Sicht wohl viel schwerer und öffnen die Kassen viel leichter als jene Argumente, die beispielsweise für Frauen in Führungspositionen kommuniziert werden.

Frauen führen anders

Sie achten mehr auf langfristigen Geschäftserfolg und auf die Zufriedenheit von Kund:innen und Mitarbeiter:innen, sie wollen mit dem eigenen Tun die Welt verbessern, sie sind weniger risikofreudig und damit weniger insolvenzgefährdet, sie legen einen stärkeren Fokus auf Mitarbeiterbindung, sie stärken die Innovationskraft und glänzen durch Flexibilität und Weitsicht…

Noch nie wurde mehr zu „women leadership“ geforscht als heute und eine Vielzahl von Studien bestätigt, dass Frauen in Führungspositionen einen Mehrwert liefern. Und dennoch

  • sind zwei von drei Führungspositionen von Männern besetzt,
  • sind Frauen in selbständiger Erwerbstätigkeit unterrepräsentiert und
  • Arbeitet fast jede zweite Frau (und damit viermal häufiger als Männer) in Teilzeit.

Und auch im EU-weiten Vergleich fällt auf: Österreich hat hier Aufholbedarf!

Vielleicht fehlt es, in einer Welt, in der unternehmerischer Erfolg noch immer in wirtschaftlichen Kennzahlen gemessen wird, nur am entsprechenden Zahlenmaterial, um das bisher ungehobene Potenzial greifbar zu machen? Das lässt sich ändern.

Frauen in Führungspositionen rechnen sich

Auch bei noch dürftiger Datenlage, die auf die marktorientierte Wirtschaft und Mittel- und Großbetriebe eingeschränkt ist, zeigt sich: Frauen in Führungspositionen rechnen sich! Und dies nicht nur auf betriebs-, sondern auch auf volkswirtschaftlicher Ebene. Alleine in Kärnten hätte der Wechsel von derzeit rein männlich geführten Unternehmen zu gemischt geschlechtlich geführten Unternehmen ein Umsatzplus von 114 Mio. Euro zur Folge. Ein besonders ausgeprägtes Plus wäre in der Bauwirtschaft zu erwarten, gefolgt vom Dienstleistungssektor sowie der Sachgütererzeugung. Bereits gut aufgestellt ist man im Handel sowie im Sektor Information/Kommunikation.

Was sich betriebswirtschaftlich rechnet, ist auch volkswirtschaftlich von Relevanz: immerhin 31 Mio. Euro mehr Wertschöpfung – dies entspricht einem Plus von 0,2 % der gesamten Wirtschaftsleistung Kärntens – könnte Jahr für Jahr zusätzlich generiert werden, auch wenn wir nur Teile der Wirtschaft und hier nur die Mittel- und Großbetriebe betrachten. 40 Prozent der Gemeinden Kärntens weisen eine Wirtschaftsleistung auf, die unterhalb dieses Potenzials liegt. Auf den/die Einwohner:in bezogen sind es immerhin 55 Euro, die wir mehr im Börserl haben könnten.

Der erste Schritt ist gemacht – die Zahlen liegen am Tisch. Und die Zukunft könnte, um rascher Fortschritte zu erzielen, schlechter aussehen: Nachhaltigkeit, Mitarbeiterbindung, Resilienz… Nur drei der zunehmend wichtigen Themen, welche die Wirtschaft in den nächsten Jahren prägen und verändern werden und in welchen Frauen besondere Stärken aufweisen. Think future – think female!

Zur Autorin

Dr. Anna Kleissner ist Volkswirtin und seit 2000 in der Wirtschaftsforschung, zunächst am IHS Kärnten, dann im Cognion Forschungsverbund und seit 2020 im eigenen Unternehmen, der Econmove GmbH, tätig. Das Motto „Den Wandel begleiten“ bildet den Rahmen für die Forschungsagenden, die vom Strukturwandel über die Energie- und Mobilitätswende bis hin zur Sportökonomie reicht. In ihrer Funktion als Vorständin im Business Frauen Center ist es unter anderem ein Anliegen, Gender-relevante Themen besser und standardisiert in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu implementieren.