Frauen und vor allem Mütter vollbringen nicht selten wahre Wunder. Sie bekommen Beruf, Familie und Privatleben unter einen Hut. Nicht wenige Blogs großartiger Mütter zeigen, wie das gehen kann. In immer mehr Beiträgen wird in den letzten Jahren auch sichtbar, mit welchen Strapazen und auch Überforderung das einhergeht. Ist es in den ersten Jahren toleriert, dass Mütter übermüdet sind, wenig Zeit für Freunde haben, so nimmt diese Toleranz mit den Lebensjahren der Kinder ab und Frau sollte wieder (in allen Lebenslagen) „funktionieren“. Dieser Artikel geht der Frage nach, woran Frau merken kann, dass sie sich in einer Abwärtsspirale befindet und will Anregungen und Möglichkeiten aufzeigen daraus auszubrechen und selbstbestimmt und vor allem dauerhaft gesund zu bleiben.

Der Großteil der Betreuungsverpflichtungen übernehmen Frauen. Nur 5% der in Österreich lebenden Männer arbeiten Teilzeit, aber 53% der Frauen. Im Oktober 2009 waren 4,71% der Kinderbetreuungsgeld-Bezieher/innen Männer (Böhm et al, 2010, S. 8). 2019 waren es immerhin schon 16,9% (Rille-Pfeiffer,C. & Kapella, O, 2022, S. 37).

Untersuchungen zeigen Arbeits-Familie-Konflikte haben höheren Einfluss auf das Burnout-Risiko als die Arbeitsbelastungen selbst. Besonders betroffen sind Menschen mit Führungsaufgaben. Fast jeder 2. Befragte mit Führungsaufgabe hat subjektiv das Gefühl Beruf und Familie nicht unter einen Hut zu bekommen (BauA-Befragung 2011/12).

Wie merke ich Überforderung?

Die Doppelbelastung durch Beruf und familiäre Verpflichtungen, eigene Ansprüche können zu einer Überforderung unseres Körpers und unserer Psyche führen. Wer eine Überlastungsreaktion frühzeitig erkenne möchte, die auf ein entstehendes Erschöpfungssyndrom (Burn Out) hinweist, sollte die 3 Phasen kennen:

  1. Zuerst zeigt sich bei gleichbleibender Aktivität und Leistungsfähigkeit ein Gefühl von Unlust.
  2. Schleichend entsteht Rückzug und Leistungsabnahme.
  3. Dann entsteht innere Leere, starke Erschöpfung, Passivität und teilweise Lebensunlust.

Selten wird Burnout in der 1. Phase erkannt, da das Gefühl gebraucht zu werden für viele zu stark ist. (Bergner, 2011, S. 3). Jede Phase kann Monate bis Jahre dauern. Die Entstehung erfolgt schleichend über lange Zeit.

Das können Anzeichen von Überforderung sein:
  • Erschöpfung, Kraft-Antriebslosigkeit
  • Schlafstörungen können auftreten
  • „nicht abschalten können“
  • Sinnkrise: Beruf und private Situation werden in Frage gestellt (spätestens dann bedarf es professioneller Hilfe)

Als Ursachen gelten fehlende Erholung, (zu) hohe Anforderungen und eine Diskrepanz zwischen Anforderung und Fähigkeiten zur Bewältigung. Meist ist eine hohe Identifikation mit der Arbeit, überhöhte Ideale und sehr kritische Selbstsicht zu beobachten. Fehler werden schnell persönlich genommen.

Von Burnout spricht man, wenn folgende Symptome auftreten:
  • Überwältigende Emotionale Erschöpfung
  • Depersonalisierung (sozialer Rückzug, Entfremdung) – eventuell sichtbar durch Zynismus
  • Ineffizienz: reduziertes persönliches Engagement, kaum Zufriedenheit mit der eigenen Leistung, Leistungsabnahme (ab Phase 2)
    (Bergner, 2011, S. 9ff):

Nicht selten zeigt sich dauerhafte Überforderung in körperlichen Erkrankungen, wie Herz-Kreislauferkrankungen. Mittlerweile wurden auch Zusammenhänge zu Muskel-Skelett-Erkrankungen gefunden. Natürlich können auch andere psychische Erkrankungen gleichzeitig auftreten, wie z.B. Depression und Angststörungen.

Selbstfürsorge: Selbstwert, Eigenverantwortung und eigene Grenzen

Der erste Schritt raus aus der Überforderung ist, sich zu erlauben auf sich zu achten. Sich selbst „wert sein“ für sich etwas zu tun und die Klarheit, dass Sie für andere nur da sein können, wenn es ihnen gut geht.  Je mehr Vertrauen Sie in sich selbst haben, desto mehr Vertrauen werden ihnen andere entgegenbringen, werden Sie in anderen wecken!

Das Selbstvertrauen wird durch das Selbstwertgefühl genährt. Ist das Selbstwertgefühl gut ausgeprägt, so haben wir ein positives Bild von uns mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung (Glaube, etwas bewirken oder verändern zu können und nicht ausgeliefert zu sein), wir kennen die eigenen Bedürfnisse und können sie artikulieren, Kritik können wir genauso wie Lob annehmen und einordnen. Menschen mit guten Selbstwertgefühl können für andere da sein ohne sich darin zu verlieren. Sie kennen die Grenzen und wissen, sie können nur für andere da sein, wenn sie auf sich selbst schauen.

Branden (2009) nennt folgende Säulen des Selbstwertgefühls:

  • Bewusst leben (wacher Blick, Achtsamkeit gegenüber sich und der Umwelt)
  • Sich selbst annehmen (liebevoller Umgang mit sich)
  • Sich selbst behaupten (eigene Anliegen wichtig nehmen und artikulieren)
  • Zielgerichtet leben (eigene Ziele entwickeln und verfolgen)
  • Integrität (eigene Werte bewusstmachen und danach leben)
  • Eigenverantwortung

Für sich selbst Verantwortung zu übernehmen bedeutet sich und seine Empfindungen vom Verhalten anderer unabhängig zu machen. Es kann Zeit und Energie in die aktive Gestaltung des eigenen Lebens gesteckt werden (Felder-Fallmann & Hanfstingl, 2021, S.96).

Ein paar Anregungen für den Umgang mit sich selbst:

Wer seine eigenen psychischen und körperlichen Grenzen frühzeitig erkennt, hat damit die Möglichkeit auch schon früh zu intervenieren. Dabei hilfreiche Fragen können sein:

  • Übernehme ich Verantwortung für Dinge, für die es mir unmöglich ist, die Verantwortung zu übernehmen? Oder gebe ich Verantwortung an andere ab, die ich selbst zu tragen habe (z.B. „Du machst mich wütend“ bedeutet die Verantwortung für die eigenen Gefühle jemand anders zu übergeben)?
  • Eigenen Grenzen erkennen:
    • Welche ersten körperlichen Anzeichen gibt es, wenn ich unter hohem Druck stehe? Was sind meine persönlichen „Warnzeichen“. Und: Wie reagiere ich auf diese?
    • Wie reagiere ich emotional auf Druck und Stress? Was sind Anzeichen, dass es mir „zu viel wird“?
    • Nehme ich meine Grenzen war und suche dann Erholung oder gehe ich regelmäßig über meine Grenzen?
    • Sehe ich selber meine Grenzen oder brauche ich Unterstützung beim Erkennen?
  • Selbstfürsorge:
    • Achte ich gut auf mich und behandle mich liebevoll? Wie spreche ich mit mir, wenn ich mit mir selbst unzufrieden bin? Kann ich mich selbst auch wertschätzen/loben?
    • Mache ich regelmäßige Bewegung und Körperarbeit (Yoga, Gymnastik, usw.)?
    • Habe ich eine Entspannungstechnik, die gut zu mir passt?
    • Nehme ich mir Zeit für mich? Und: Wie gestalte ich diese?

Weiter ist es wichtig sich mit seinen inneren Mustern (auch Antreiber, Kritiker, usw. genannt) auseinander zu setzen. Einerseits spornen sie uns an und ermöglichen tolle Leistungen. Andererseits kann es sein, dass sie zu sehr zu fordern, wenn sie zu streng sind. Z.B. „Sei perfekt“ kann hilfreich sein, gute Arbeit ab zu liefern und damit Kundenwünsche zufrieden zu stellen. Ist der Anspruch jedoch zu hoch, so können wir nie mit uns zufrieden sein.

Es gibt kein Patentrezept und in Ihnen steckt die Antwort, was sie brauchen auch wenn es Ihnen nicht immer bewusst ist.

Pausen als Gamechanger

Ohne Ausgleich / Erholung ist keine Höchstleistung möglich. Nur wer sich gut regenerieren kann, kann dauerhaft leistungsstark sein und bleibt vor allem auch länger gesund.

Hier ein paar Anregungen zur Pausengestaltung:

  • Kurzpausen (Einmal pro Stunde 5 Minuten oder alle 2 Stunden 10-15min) erhöhen die Leistungsfähigkeit (Konzentration und Entgegenwirken von Ermüdung, Reduzierung von Fehlerhäufigkeit).  (Ulich, E. & Wiese, B., 2011, S. 177; Wendsche & Lohmann-Haislah, 2011, S. 186f)
  • Schon früh (Graf, 1927) stellte man den positiven Einfluss von aktiver Erholung bei geistiger und leichter körperlicher Tätigkeit auf die Arbeitsfähigkeit fest. Zum Beispiel Spaziergänge in der Natur setzen die Kreativität in Gang und erhöhen damit die Problemlösefähigkeit (Spitzer, 2018, S. 218).
  • „Booster Breaks“ (regelmäßige kurze Pausen mit physischer Aktivität) und „Napping“ (regelmäßige Kurzschlafpausen) sind abhängig von der Tätigkeit besonders erholsame Pausenformen (Wendsche & Lohmann-Haislah, 2011, S. 187f).
  • Die Gehirnforschung zeigte, wird jemand aufgefordert nichts zu tun und an nichts Bestimmtes zu denken, ist in einem Netzwerk von Hirnregionen besonders hohe Aktivität sichtbar. In diesem „Default Mode“ – so nennen Experten den Leerlauf-Modus – scheint unser Gehirn aktiv zu sein, um sich gerade Erlerntes oder Erlebtes noch einmal „durch den Kopf“ gehen zu lassen. Oft findet man die „Lösung“ erst, wenn man eine Pause macht (Lang, 2020).
  • Wichtig ist, dass Pause auch Ruhe bedeutet (Wendsche & Lohmann-Haislah, 2011, S. 187f): keine Erreichbarkeit, kein Lärm, Rückzug, usw.
Und jetzt tun – aber wie?

Ein paar Anregungen, wie Sie loslegen können JETZT einen anderen Weg ein zu schlagen und gesünder in die Zukunft zu gehen:

  • Veränderbares von Unveränderbarem trennen und bewusst dafür entscheiden Unveränderbares stehen zu lassen und sich auf Veränderbares zu konzentrieren. Das kann sein, Pläne für die Zukunft zu machen, Aufgeschobenes abzuarbeiten oder auch sie „Abzulenken“, etwas Neues zu lernen, usw.
  • Bewusste Entscheidung für das Verlassen der Komfortzone. Neues aus zu probieren bedeutet immer auch ein Risiko. Das Gewohnte gibt Sicherheit.
  • Daher ist es wichtig ein attraktives Ziel zu haben für das es sich lohnt die Mühe auf sich zu nehmen, etwas zu verändern. Was ist der größte Gewinn, wenn es mir gelingt?
  • Wählen Sie aus den vielen Optionen wenige (max.3) aus: Welche der Anregung hat mich am meisten Angesprochen? Was will ich ändern und wie (konkrete Handlungsschritte mit Zeitplan)? P
  • Kleine Schritte:       
    In kleinen Häppchen sind die größten Herausforderungen plötzlich schaffbar.           Z.B.: Ausdauersportler, wie Marathonläufer, machen sich dies zu nutze. Sie definieren sich Etappenziele. Dadurch haben sie das Gefühl, es überblicken zu können (Handhabbarkeit und Verstehbarkeit) und können aus dem Erfolg neue Energie schöpfen.

Nehmen Sie sich kleine Veränderungsschritte vor und setzen Sie diese zeitnah um. Seien Sie geduldig mit sich. Auch Radfahren haben Sie nicht in einer Stunde gelernt.

Über die Autorin

Claudia Felder-Fallmann ist selbstständige Arbeits- und Organisationspsychologin, Gesundheitspsychologin und Klinische Psychologin. Nach dem Motto „Weil Gesundheit auch Kopfsache ist“ unterstützt sie Unternehmen in der Betrieblichen Gesundheitsförderung und in der Gefährdungsbeurteilung, sowie Einzelpersonen in der Stärkung ihrer Individualgesundheit.

Der Pod-Cast mutmacher-innen.at, den sie seit Frühling 2021 mit Georg Brandenburg betreibt, lädt Unternehmer und Unternehmerinnen ein über Fehler und Misserfolge zu reden und soll anderen die Möglichkeit geben, Anregungen mitzunehmen, wie sie Mut fassen können, wenn es nicht optimal läuft.

Im Herbst ist ein Ratgeber im Hermagoras Verlag erscheinen, den sie gemeinsam mit Barbara Hanfstingl von der Universität Klagenfurt verfasst hat: „Resilienz: Praxisbuch zur Stärkung der seelischen Widerstandskraft.“

Quellenangabe/Referenzen

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Hrsg., 2012a. BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2011/2012. Verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Forschung/Forschungsprojekte/f2296.html [18.07.2022]

Bergner, Thomas M. (2011). Burnout-Prävention. Sich selbst helfen – das 12 Stufen-Programm. Schattauer Verlag: Stuttgart.

Branden, Nathaniel (2009). Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls. Erfolgreich und zufrieden ein starkes Selbst. Piper Verlag: München.

Böhm, Jasmine et al (2010). Handbuch „Flexible Arbeitszeitmodelle“ Mehr Spielraum für Vereinbarkeit im Unternehmen. MA 57 – Frauenabteilung der Stadt Wien. Verfügbar unter: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20110621_OTS0086/handbuch-flexible-arbeitszeitmodelle [11.07.2022]

Graf, O. (1927). Die Arbeitspause in Theorie und Praxis. Psychologische Arbeiten, 9, 563-681.

Lang, Birgit (2020). Das Default Mode Network und die Effekte von Meditation und Achtsamkeit darauf. Verfügbar unter: https://www.lifeset.at/das-default-mode-network-und-die-effekte-von-meditation-und-achtsamkeit-darauf/ [18.07.2022]

Rille-Pfeiffer, Christiane & Kapella, Olaf (2022). Evaluierung des neuen Kinderbetreuungsgeldkkontos und der Familinzeit. Meta-Analyse. ÖIF und Universität Wien. Verfügbar unter: https://uscholar.univie.ac.at/detail/o:1429698 [11.07.2022]

Spitzer, Manfred (2018). Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit. Schmerzhaft Ansteckend Tödlich. Droemer Verlag: München.

Ulich, Eberhard & Wiese Bettina S. (2011). Life Domain Balance. Konzepte zur Verbesserung der Lebensqualität. Gabler Verlag: Wiesbaden.

Wendsche, J. & Lohmann-Haislah, A. (2016). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Pause. Verfügbar unter: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwjI5cjx-YH5AhXFh_0HHe9UALIQFnoECAYQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.baua.de%2FDE%2FAngebote%2FPublikationen%2FBerichte%2FF2353-3b.pdf%3F__blob%3DpublicationFile%26v%3D9&usg=AOvVaw0y6uZkB4B_2a7x9PvGByej [18.07.2022]