Wenn wir vor lauter Nachhaltigkeit den Wald nicht mehr sehen – So schaffen wir die Klimawende (nicht)

Österreich verfolgt ehrgeizige Ziele. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 36% (wohlgemerkt) gegenüber 2005 reduziert werden, 2040 wollen wir klimaneutral sein. Davon angetrieben ist vieles hierzulande nachhaltig. Doch was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit und wie wird es von der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Die Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf als nachwachsen kann. Übertragen auf die Gesellschaft bedeutet Nachhaltigkeit, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.

Was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert? Vieles. Wo wir stehen? Noch immer am Anfang.

Bereits vor knapp 20 Jahren hatten wir mit Kyoto ambitionierte Klimaziele. Inzwischen liegt das Pariser Abkommen und der Green-Deal der EU auf dem Tisch. Wir haben ein Erneuerbares-Ausbau-Gesetz, ein ausgeklügeltes Fördersystem für grüne Energie, eine EU-Notfallverordnung für Erneuerbare Energie und eine UVP-G-Novelle, die den Ausbau von Windkraft beschleunigen soll, verabschiedet. Es gibt eine EU-Taxonomie-Verordnung und Offenlegungsverordnung.

In der Realität sind wir dennoch am besten Wege, sprichwörtlich gegen die Wand zu fahren. So ist der Welterschöpfungstag in Österreich heuer bereits auf den 6. April gefallen. Das ist jener Tag, an dem der menschliche Rohstoffverbrauch der Österreicher nicht mehr durch die Bildung neuer Ressourcen gedeckt werden kann. Damit liegen wir im absoluten Spitzenfeld. Im Übrigen steht Österreich auch ganz vorne dabei in der Bodenversiegelung. Mehrere Hektar Boden werden täglich versiegelt. Der Trend geht unaufhaltsam weiter. Schneller und immer schneller.

Die Frage, die wir uns stellen müssen ist: Warum tun wir nichts dagegen?

Ich habe mich diesem Thema bereits die letzten zwei Jahrzehnte gewidmet. Nachfolgend einige Fakten, woran es liegt, dass wir letztlich die Wende nicht schaffen. Vieles besteht leider nur auf dem Papier oder nicht mal dort. Betreibt Österreich, das sich gerne als grün darstellt, also doch Greenwashing? Einige Beispiele:

  • Im Jahr 2001 wurde in Österreich ein zahnloses Klimaschutzgesetz eingeführt, ohne jedwedes verbindliches Ziel. Wohin es uns gebracht hat ist, sehen wir heute. Nach dem Auslaufen im Jahr 2020 liegt der neue Gesetzesentwurf weiterhin auf Eis. Die Parteien können sich nicht auf die Verbindlichkeit der Ziele verständigen.
  • Spätestens mit Sommer 2023 hätte die Bodenschutzstrategie von der österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK), bestehend aus Vertretern des Bundes, der Bundesländer, des Städtebundes und Gemeindebundes sowie der Wirtschafts- und Sozialpartner, beschlossen werden sollen. Der Grund für die neuerliche Vertagung des Beschlusses: die ÖROK konnte sich nicht auf die Verbindlichkeit der Ziele verständigen.
  • Einer der Brennpunkte der nächsten Jahrzehnte werden die heißen Städte sein. Das Mikroklima in den Städten ist in den Sommermonaten aktuell schon unerträglich. Dennoch werden öffentliche Plätze zugepflastert. Die spärlich gepflanzten Bäumchen vermögen dabei keine Kühlung zu bringen.
  • Wichtige Erneuerbare-Energie-Projekte, der Netzausbau- und Speicherprojekte, allesamt unabdingbar für die Energiewende, stecken jahrelang in Bewilligungsverfahren fest. Bis auf wenige förderliche Bestimmungen im Umweltverträglichkeitsgesetz (UVP-G) und etwas Rückenwind durch die EU-Notfallverordnung Erneuerbare Energie wartet man vergebens auf eine Beschleunigung. So hätte auch bis 30.06.2023 der Integrierte Netzinfrastrukturplan (NIP) veröffentlicht werden müssen, der ua die verbesserte Koordinierung des Netzausbaus mit den Erzeugungs- und Speicheranlagen vorsieht. Immerhin wurde dieser nunmehr bis September zur Einsicht aufgelegt.
  • Und wann sind Sie das letzte Mal Bahn gefahren? Das Klimaticket hat ohne jeden Zweifel wesentlich zum Umstiegt auf die Öffis beigetragen. Doch alle, die den Zug regelmäßig und auch beruflich nutzen, werden schon damit konfrontiert gewesen sein, statt eines reservierten Sitzplatzes mit dem Notebook auf dem Treppenabgang zu sitzen. Fehlende Waggons, leider ein täglich vorkommendes Ereignis. Man (frau) möchte meinen, der Anstieg der Passagiere wäre vorhersehbar gewesen.

Die Untätigkeit der höheren Ebene ist mitunter frustrierend. Meine Kinder sind aktuell noch zu jung, würden sie sich einer der Organisationen wie fridays for future oä anschließen, ich würde es verstehen. Denn auch sie – wie jedes andere Kind – haben ein Recht auf eine Zukunft auf unserem Planeten.

Was nun? Umdenken beginnt im Kleinen

Es ist nur allzu leicht zu sagen, wir hier im kleinen Österreich können nichts bewegen. Doch das stimmt nicht. Es sind die westlichen Länder, die aktuell das Know-how haben und neue Technologien und Strategien entwickeln, die sich dann auch weltweit verbreiten. Beginnen wir also im Kleinen.

Zur Eindämmung der Bodenversiegelung kann jeder und jede selbst beitragen. Insbesondere die Gemeinden haben mit den von den Raumordnungsgesetzen zur Verfügung gestellten Mitteln die Möglichkeit, Ziele und Grenzen, wie zB einen Grünflächenfaktor, zu setzen. Mit raumordnungsrechtlichen Verträgen können zB Infrastrukturbeiträge, Beiträge für die Verbesserung des Kleinklimas, die Errichtung von E-Ladestellen usw. sichergestellt werden.

Es liegt auch an den Gemeinden und Städten, die Innenstädte (auch unter Verwendung von Beiträgen aus den raumordnungsrechtlichen Verträgen) grüner zu gestalten und so das Mikroklima für alle zu verbessern.

Es wird an uns Bürgern liegen, die politisch Verantwortlichen für die Umsetzung eines wirksamen Klimaschutzgesetzes verantwortlich zu machen und die Umsetzung unabdingbar zu fordern. Ebenso ein koordiniertes Vorgehen im Bereich der Energie. Das betrifft nicht nur Österreich, sondern Europa. Wir müssen uns gesamtheitlich überlegen, wo die Energie gebraucht wird, wo sie produziert wird, wo wir sie speichern können und wie wir sie dorthin bringen.

Wie mein Mann immer zu sagen pflegt: “The road to hell is paved by good intentions.“. Gehen wir es also gemeinsam an und lassen unseren Intentionen auch Taten folgen.

Über die Autorin

Dr. Tatjana Katalan ist Rechtsanwältin für Umwelt- und Nachhaltigkeitsrecht mit Schwerpunkten in Rechtsberatung, Projektbegleitung, Compliance und CSR-/SDG-Beratung. Sie ist Mitgründerin von E+H Rechtsanwälte GmbH und hat zahlreiche Auszeichnungen und Publikationen in renommierten Rankings und Fachzeitschriften vorzuweisen.