Wer kennt Flächenland?

Flächenland ist eine satirische Welt der geometrischen Figuren, geprägt von sozialen Hierarchien. Frauen sind gerade Linien, Soldaten und Arbeiter unvollkommene Dreiecke. Kaufleute formen ästhetische gleichseitige Dreiecke, während der Adel durch die Anzahl ihrer Seiten definiert wird. Dieses Gesellschaftsporträt des Mathematikers Edwin Abbott kritisiert das Kastensystem und Vorurteile im 19. Jahrhundert.

Aber auch ein interessantes Gedankenexperimen

In der flachen, zweidimensionalen Welt von Flächenland nehmen die Bewohner unterschiedliche Formen nur aus ihrer eigenen Perspektive wahr. Ein Quadrat sieht von der Seite aus wie ein Dreieck oder eine Linie aus. 150 Jahre später, heute in Deutschland, erkennen wir Parallelen zur Arbeitswelt: Hierarchische Strukturen, Silosdenken und festgefahrene Geschlechterrollen prägen das Bild. Von der Seite sehen alle gleich aus!

Wer hat Lust auf eine neue Dimension?

Mit sechs Jahren brachte meine Mama einen Computer nach Hause. Sie holte mich zu sich, schaute mir in die Augen und sagte: ‘Es gibt zwei Arten von Menschen, Builder und Consumer – Menschen, die bauen und solche, die konsumieren.’ Dann machte sie eine Pause und fragte mich:

Zu welcher Art möchtest du dazu gehören?

Von diesem Moment an wusste ich die Antwort: Ich wollte ein Builder sein und so viel wie möglich erschaffen. Ich nahm den Computer meiner Mama und probierte alles Mögliche aus – Spiele, Webseiten, Unternehmen. Als Informatikabsolventin landete ich schließlich in einem großen Konzern mit vielen Möglichkeiten zum Gestalten. Doch ich wurde ständig als ‘Techie’ abgestempelt und aus dem Geschäftsbereich ferngehalten. Das Problem war nicht nur mein eigenes, sondern betraf auch andere Bereiche wie Tech und Marketing, HR und Finance, Fach- und Führungskräfte, sowohl Männer als auch Frauen.

Nur 11% der deutschen Führungspositionen sind von Frauen besetzt, und in Bezug auf Diversität und Tech hätte ich damals nicht einmal eine Linie auf der Landkarte sein können, sondern nur ein glatter Punkt.

Mir ging es jedoch nicht um Führung oder Karriere. Unser Team hatte ein CRM-System entwickelt, und ich wusste nicht, wozu Unternehmen ein solches brauchen. Das frustrierte mich zutiefst. Also beschloss ich, mehr über das Geschäft zu lernen und gründete mein eigenes Unternehmen. Doch kaum war ich draußen in der großen weiten Welt, sah ich wieder Flächenland. Als Gründerin wurde ich als Frau abgestempelt, und somit war ich für Investoren nur eine gerade Linie, denn nur 2% des weltweiten Risikokapitals fließt in Gründerinnen.

Die Welt hat sich seit Flächenland verändert.

“In den letzten 150 Jahren gab es beeindruckenden technologischen Fortschritt, doch gesellschaftlich hinken wir hinterher. Frauen dürfen erst seit 50 Jahren in der Schweiz wählen, Schwarze in den USA. Der Gender Pay Gap beträgt bis zu 17% in Deutschland, was zu einer Rentendifferenz von 45% führt. Nur 6% der deutschen Unternehmen setzen auf Selbstorganisation. Persönlich erleben viele Menschen mit Familien, Pflege, Behinderungen, unterschiedlichen sexuellen Orientierungen, Religionen oder äußerlichen Unterschieden, dass wir immer noch in einer begrenzten Welt leben.

Wie also vom Flächenland ausbrechen?

Um aus Flächenland auszubrechen, müssen wir eine neue Dimension wagen. Wir sollten über uns hinauswachsen, Gestalt annehmen, Schatten werfen und anderen helfen, weiter zu sehen – nicht als Frauen oder Männer, sondern als Menschen. Denn Menschen stehen im Zentrum des Dreiecks aus Arbeit (New Work), Technologie (Digitalisierung) und Gesellschaft (Vielfalt). Wir gehen zur Arbeit, erfinden Maschinen und kämpfen im Alltag um Sicherheit, Status und Chancengleichheit. Auch wenn die Politik im Dezember die Frauenquote für Vorstände beschlossen hat und das Thema Diversity mehr Aufmerksamkeit bekommt, liegt es dennoch an uns selbst, aufzustehen und uns weiterzuentwickeln.

Es ist Zeit für ein Update in neue Dimensionen! Wir müssen unsere Vorstellungen von Arbeit, Technologie und Gesellschaft aktualisieren, denn gemeinsam mit dem Dreieck hat sich auch unsere Welt verändert – mehr als je zuvor.

New Work, Digitalisierung, Vielfalt – Deine Umwelt

Technologischer Fortschritt hat stets die Gesellschaft geprägt. Die Dampfmaschine revolutionierte die mechanische Produktion, Elektrizität ermöglichte Massenproduktion und die dritte industrielle Revolution brachte Automatisierung durch Software und das Internet. Doch mit Künstlicher Intelligenz haben wir eine exponentielle Produktivitätssteigerung erreicht. Vor Corona mussten wir Exponentialität noch erklären, heute ist es allgemein bekannt – sehr schnell, sehr viel.

Die Geschichte vom chinesischen König und dem Schachbrett verdeutlicht das Prinzip. Auf den 64 Feldern summiert sich das Weizenangebot auf 18,5 Quintillionen – mehr als China in 6000 Jahren produzieren könnte. Dies zeigt, wie extrem und rasch Exponentialität wirken kann.

Was heißt “exponentiell” übersetzt auf die Arbeitswelt?

Es bedeutet, dass sich Marktbedingungen häufiger ändern werden (Volatilität), Unternehmen schneller Innovationen einführen müssen (Unsicherheit) und die gegenseitige Abhängigkeit sowie die Ökosysteme komplexer werden (Komplexität). Wir werden vermehrt an selbstorganisierten Projekten arbeiten und Rollen tauschen (Ambivalenz).

Wenn wir bisher im Dreieck aus Arbeit, Technologie und Gesellschaft agierten, finden wir uns nun in einem Kaleidoskop aus Dreiecken wieder – jeder in seiner eigenen kleinen VUKA-Welt.

Zwischen 11 und 19 Millionen Jobs werden in den nächsten Jahren durch Automatisierung verschwinden. Neue Jobs werden entstehen, aber ⅔ der Jobs in 5 Jahren existieren heute noch nicht. Es ist wichtig zu verstehen, dass sich ängstlich zurückziehen und im Flächenland verharren keine Gewinnstrategie ist.

Die Gewinnstrategie ist bereits genannt: eine neue Dimension wagen. Hier sind sieben Tipps, die euch helfen werden, euch neu zu erfinden, euch zu wandeln und in der neuen Arbeitswelt ihr authentisches Selbst zu sein. Hier sind sie:

7 Tipps für Female Empowerment im Digitalen Wandel
  1. Setzt euch mit Technologie auseinander – es ist einfacher als gedacht!
  2. Begeistert Kinder und Jugendliche für Technologie und bereitet sie auf die Berufe von morgen vor.
  3. Vernetzt euch in der Plattformwirtschaft, um Wissen zu aktualisieren und auszutauschen.
  4. Teilt euer Wissen durch Mentoring, Firmen-Netzwerke oder digitale Beiträge.
  5. Automatisiert wiederkehrende Abläufe, um mehr Zeit für Innovation zu haben.
  6. Kommunikation ist entscheidend – nicht nur Sprechen, sondern auch Zuhören, Schreiben und Lesen.
  7. Findet euren Purpose – schafft nicht nur mit Prozessen, sondern mit Experience echten Mehrwert.

Mit diesen Tipps stellt ihr sicher, dass ihr zusammen mit dem Dreieck Technologie,
Arbeit Gesellschaft wachst, selbst für neue Dimensionen sorgt, und eurer und der von
den anderen Vielfalt eine Chance gebt. Denn eines konnte meine Mutter vor 30 Jahren
nicht einsehen. In einer global vernetzten Welt, entscheidet jeder Klick, jeder Like,
jedes Wort darüber, welche Form diese einnimmt. Heute sind wir alle Builder.

Über die Autorin

Tina Ruseva ist Unternehmerin, Festivalmoderatorin, Speaker, Mentorin, Autorin und Jurorin, die sich für die Transformation der Arbeitswelt einsetzt. Sie gründete Mentessa, eine skill-basierte Plattform für den Wissensaustausch in agilen Organisationen, mit dem Ziel, das Potenzial von Unternehmen und ihren Mitarbeitenden zu maximieren. 2019 rief sie das Big & Growing New Work Festival ins Leben, um ein Netzwerk für die Transformation der Arbeit in der DACH Region zu etablieren. Als Expert Advisor am European Innovation Council der Europäischen Kommission gibt sie Impulse für eine nachhaltige, digitalisierte und innovative Arbeitswelt. Durch ihre Mentorings und ihr Buch “Big Heart Ventures” ermutigt sie junge Gründer*innen, Technologie als relevanten und zukunftsweisenden Partner in ihren Unternehmen zu betrachten.