Die Energiewende ist auch eine Verbrauchswende
Eva Tatschl-Unterberger ist seit Mai 2023 neue Geschäftsführerin von Kärnten Netz. Im Gespräch mit Evelyn Siebert erklärt sie, warum sie fest vom Gelingen der Energiewende überzeugt ist, welche Vorreiterrolle Frauen dabei einnehmen und wie wir alle dazu beitragen können.
Evelyn Siebert: Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Die Energiewende wird einen zentralen Faktor spielen, um die Klimakrise abzuwenden. Was denken Sie, schaffen wir die Energiewende rechtzeitig?
Eva Tatschl-Unterberger: Von unserem Können her, unseren Kompetenzen und unseren Voraussetzungen sind wir in Österreich in der besten Position, um die Energiewende zu schaffen. Wir sind ein Land, das heute schon sehr viele erneuerbare Energieträger hat. Wir haben auch eine sehr gut funktionierende E-Wirtschaft, die in der Lage ist, die fehlenden Kapazitäten zu bauen.
Und da glaube ich ganz fest daran, dass wir in Österreich die weiteren für die Umsetzung notwendigen Voraussetzungen schaffen können, wenn die richtigen politischen Weichen gestellt werden. Es liegt weiters auch an uns Bürgerinnen und Bürger, die Energiewende wirklich zu wollen und zu unterstützen. Denn schlussendlich ist es natürlich so, dass die Energiewende Investitionen, Aufwände und Veränderungen bedingt. Diese Veränderungen muss jeder persönlich mittragen. Wenn die Menschen dazu bereit sind, werden wir diese elektrifizierte und klimaneutrale Zukunft erleben.
Evelyn Siebert: Apropos Zukunft: Was denken Sie, werden die größten Veränderungen in den nächsten 15 bis 20 Jahren sein?
Eva Tatschl-Unterberger: Ich denke, dass kein Weg daran vorbeiführt, maximal auf Elektrifizierung zu setzen. Wir müssen alle elektrischen Technologien in die Nutzung bringen und wir werden mehr Infrastruktur auf der Netzseite brauchen. Das wird auch sichtbar sein, denn wir werden mehr und wesentlich stärkere Leitungen installieren. Auch die Mobilität wird sich stark in Richtung Elektrizität verlagern. Wir werden auch beim Heizen noch einmal einen Sprung in Richtung Wärmepumpe machen und noch stärker aus fossilen Energiequellen aussteigen. Und auch die Digitalisierung wird noch weiterentwickelt werden. Wir werden in einer sehr vernetzten Welt leben, wo jede*r von uns auch im privaten Haushalt ein kleines Energiemanagementsystem einsetzt, das die eigene Erzeugung und den Verbrauch managt und optimiert, und somit werden viele kleine und große optimierten Teilsysteme miteinander ein Gesamtsystem bilden. Wir als Bürgerinnen und Bürger werden gemeinsam mit den Energieversorgern die Energie liefern und wir werden diese Energie auch gemeinschaftlich systemschonend nutzen.
Evelyn Siebert: Das heißt, dass jede*r zukünftig eine eigene PV-Anlage hat und es mehr Windkraftanlagen gibt?
Eva Tatschl-Unterberger: Richtig. Es wird definitiv mehr Windkraftanlagen brauchen. Neben vielen kleinen privaten PV-Anlagen wird es auch große Sonnenkraftwerke brauchen, auch bei uns in Kärnten. Und es wird noch mehr Wasserkraft brauchen, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, Energie zu erzeugen. Es wird neue Möglichkeiten geben, Energie zu speichern, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Wenn die gesamte Menschheit an einem dermaßen bedeutenden Thema forscht, kommen völlig neue Lösungen zustande. Und ich glaube auch, dass wir alle in diesem klimaneutralen Elektrizitätsökosystem stark miteinander kooperieren werden. Das bedeutet, dass wir sogenannte Flexibilitäten viel stärker nutzen werden. Durch die Wetter- und Sonnenabhängigkeit gibt es nicht immer gleich viel Energie. Das heißt, wir werden uns darauf einlassen, dass wir, wenn mehr Energie zur Verfügung steht, auch mehr elektrische Energie in Anspruch nehmen und uns dann, wenn weniger Energie zur Verfügung steht, auch ein bisschen einschränken.
Evelyn Siebert: Sie sagen, die Energiewende ist eine Verbrauchswende. Wie meinen Sie das genau?
Eva Tatschl-Unterberger: Ganz besonders wichtig ist, dass die Energiewende auch eine Verbrauchswende ist, nicht nur eine Erzeugungswende. Es ist schön, wenn wir es schaffen, mehr erneuerbare Energie zu erzeugen. Solange wir Bürgerinnen und Bürger aber weiterhin fossile Energie verbrauchen, fließt unser Geld weiterhin in diese Wertschöpfungskette. In dem Moment, wo wir unseren Verbrauch umstellen, bleibt das Geld, das wir für Energie ausgeben, in der lokalen Wertschöpfung und dient dazu, dass wir unsere Netze und die erneuerbaren Erzeugungskapazitäten ausbauen. Das heißt, was wir wirklich tun können, ist unseren Verbrauch wegzubewegen von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energieträgern – also beispielsweise, eine Wärmepumpe zu betreiben statt einer Öl- oder Gasheizung. Oder ein Elektroauto zu fahren statt eines Verbrenners. Auch auf der Industrieseite muss der Wechsel von fossilen Brennstoffen hin zu Technologie, die elektrische Energie nutzt, gelingen.
Evelyn Siebert: Was denken Sie, welche Rolle werden wir Frauen in diesen Veränderungsprozessen spielen? Wie können wir Verantwortung übernehmen?
Eva Tatschl-Unterberger: Ich glaube, dass wir Frauen eine ganz wesentliche Rolle in dieser Transition bzw. in der Energiewende spielen. Vor allem, weil sich sehr viel im persönlichen Verhalten abspielt und wir Frauen sehr großen Einfluss auf das Verhalten der Familie und der Gesellschaft haben. Man sieht schon jetzt, dass Frauen als Aktivistinnen, als Meinungsbildnerinnen, als Lehrerinnen, als Leaderinnen die Wichtigkeit der Energiewende und des Prozesses, klimaneutral zu werden, hervorheben. Auf der gesellschaftlichen Seite haben wir, glaube ich, einen riesigen Einfluss und werden damit auch die Energiewende vorantreiben.
In der beruflichen Welt sind es immer die gleichen Themen. Wir müssen als Frauen mitsprechen und unsere Meinung zu diesen Themen kundtun können, schauen, dass wir uns in Positionen bringen, wo wir auch an Entscheidungen teilhaben können. Dafür halte ich auch die Quote für ein sehr wichtiges Instrument. Es ist in der Historie, in der die Dominanz der Männer in den Führungspositionen sehr groß ist, schlichtweg DAS Instrument, das es nun immer mehr Frauen ermöglicht, in bestimmten Positionen platziert zu werden. Damit steigt unser Einfluss auf viele wichtige Themen.
Evelyn Siebert: Jetzt sind Sie seit Mai 2023 offiziell Geschäftsführerin bei Kärnten Netz. Was ist Ihre persönliche Mission? Was möchten Sie in Ihrem Gestaltungsspielraum umsetzen?
Eva Tatschl-Unterberger: Für mich ist es die Infrastruktur in Kärnten und das, was wir mit unserer Infrastruktur dazu beitragen können, damit Kärnten ein sehr lebenswerter Raum bleibt. Unser Bundesland soll auch ein ideales Umfeld für Betriebe und die Wirtschaft der Zukunft sein. Wir wollen eine dekarbonisierte Welt schaffen, die irgendwann komplett elektrifiziert ist. Das ist für mich ein großer Antrieb und ich denke, dass wir jetzt die Weichen stellen können, damit wir in zehn, 15, 20 Jahren wirklich diese Voraussetzungen geschaffen haben. Das treibt mich persönlich an, mitzugestalten.
Evelyn Siebert: Vielen Dank für das Gespräch.