Für die ältere Generation war sie eine Ikone der Frauenbewegung, für die junge Generation hoffe ich, dass sie sie noch nicht vergessen haben: Johanna Dohnal. Sie war eine der wichtigsten Vorreiterinnen und eine engagierte Kämpferin für Frauenrechte in Österreich und hat gezeigt, wie man mit hartnäckigem Engagement eine Bewegung ins Rollen bringen kann.

Während ihrer Zeit als Staatssekretärin und erste Frauenministerin Österreichs setzte Dohnal nachhaltige Initiativen im Familienrecht, im Sexualstrafrecht und im Sozialrecht um.
Folgende Errungenschaften und viele mehr gehen auf ihren politischen Einsatz zurück: Der Mutterschutz wird auf Bäuerinnen und gewerblich selbständige Frauen ausgedehnt, die automatische Amtsvormundschaft für uneheliche Kinder wird beseitigt, die Teilzeitarbeit für Eltern von Kleinkindern im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber wird ermöglicht, uneheliche Kinder werden erbrechtlich mit ehelichen gleichstellt, die Reform der Strafprozessordnung verbessert die Situation von Frauen, die Gewalt erfahren haben und die Vergewaltigungen innerhalb einer Ehe werden strafbar gemacht.

In ihrer Biografie erzählt sie über ihre Zusammenarbeit mit den beiden aufeinanderfolgenden Bundeskanzlern Bruno Kreisky und Franz Vranitzky, die einen sehr unterschiedlichen Zugang in der Zusammenarbeit mit Frauen hatten. Kreisky war bekannt dafür, dass er sich auch die Meinung von seinen weiblichen Genossinnen anhörte, wobei Vranitzky lieber in seinen Männerbünden Informationen austauschte. So bekam Dohnal am Ende ihrer politischen Karriere dies am eigenen Leibe zu spüren, wenn es kein frauenfreundliches Klima in der Regierung gibt.

Frauenpolitik post Dohnal

Doch wie ist es heute mit der Frauenpolitik in Österreich bestellt? Besteht in der Regierung ein frauenfreundliches Klima? Stehen Forderungen zur Gleichstellung im Fokus? Wie sehr ist die Wählerschaft an diesen Forderungen interessiert?

Im Jahre 2018 wurde ein zweites Frauenvolksbegehren mit 481.959 Unterschriften um ca. 160.000 Unterschriften weniger als das erste Frauen-Volksbegehren von 1997 eingebracht. Die neun konkreten Forderungen waren ähnlich des ersten, da 20 Jahre später noch immer viele Punkte zur Gendergerechtigkeit offen sind. Die damalige Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß unterschrieb das Frauenvolksbegehren 2.0 nicht, da für sie die Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden und die flächendeckende Geschlechterquote von 50 Prozent auf allen Ebenen zu weit gehen würde. Doch Forderungen müssen gestellt werden, um dann weiter verhandeln zu können.

Auch die jetzige Frauenministerin Susanne Raab gab bei ihren Antrittsinterviews auf die Frage: „Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?“, stets die Antwort: „Nein.“

Als Arbeitsminister Martin Kocher darüber räsonierte, Teilzeitbeschäftigten Sozialleistungen zu kürzen – betroffen wären vor allem Frauen, darunter viele, die aufgrund ihrer Kinderbetreuungspflichten gar nicht Vollzeit arbeiten können – war die Aufregung heftig. Kocher trat sofort den Rückzug an und wurde vom Bundeskanzler öffentlich korrigiert. Nur eine schwieg: die Frauenministerin. Sie entzieht sich jeder ideologischen Auseinandersetzung zur Geschlechtergerechtigkeit. Frauenpolitik ist nach ihrem Verständnis wohl bloß Sachpolitik (Profil, 13.3.23)

Somit werden wir Frauen in den letzten Jahren von Frauenministerinnen vertreten, die Erfüllungsgehilfinnen einer konservativen Partei sind, die mit wenig Mut und Hartnäckigkeit die Zukunft für Gleichstellung ebnen. Dass dies bis zu den Landesebenen und zur Regionalpolitik, leider unabhängig welcher Parteizugehörigkeit, abfärbt, ist spürbar.

Femwashing in der Wirtschaft

Doch ist es in der Wirtschaft anders? Auch hier haben wir namhafte Topmanagerinnen, die eine Quotenregelung auf Aufsichts- und Vorstandsebene für nicht notwendig halten. Denn tüchtige Frauen schaffen den Einzug in die Machtpositionen auch allein.

Auch die Flexibilität der Arbeitszeit als Zeichen für die Vereinbarkeit speziell für Mütter zu verkaufen, ist lachhaft und zeugt von einem alten tradierten Denken. Das immer wichtiger werdende Employer Branding bekommt den Frauenstempel noch obendrauf, um für neue und bereits vorhandene Mitarbeiterinnen attraktiv zu sein und Chancengerechtigkeit zu proklamieren.

Der Begriff Femwashing erscheint mir in diesem Zusammenhang sehr passend. Femwashing bezieht sich auf eine Marketingstrategie, um den Eindruck zu erwecken, feministische Werte zu unterstützen oder sich für Frauenrechte einzusetzen. Es handelt sich um eine Form von “Greenwashing”, bei dem soziale Anliegen, insbesondere im Bereich der Geschlechtergleichstellung für kommerzielle Zwecke genutzt werden.

Hätte sich Dohnal vor fast einem halben Jahrhundert vorstellen können, dass im Jahr 2024 Gleichstellung der Geschlechter noch immer eine Forderung ist? Das World Economic Center prognostiziert, dass wir 131 Jahre von der weltweiten Geschlechtergerechtigkeit entfernt sind.

Doch Gleichberechtigung ist nicht nur ein Frauenproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Wenn Frauen erfolgreich sind, profitiert die gesamte Gesellschaft davon. Es geht nicht darum, Männer zu benachteiligen, sondern darum, eine ausgewogene und gerechte Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen – unabhängig vom Geschlecht – gleiche Chancen haben.

Wir müssen alle an einem Strang ziehen

Um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken, müssen wir alle zusammenarbeiten. Männer wie Frauen, Politiker*innen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft – wir alle haben eine Verantwortung, uns für Gleichberechtigung einzusetzen. Dohnal hat den Anfang gemacht, aber es ist an uns, den Ball am Rollen zu halten. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Stimmen von Frauen gehört werden und dass Gleichberechtigung nicht länger eine Forderung, sondern eine Realität ist. Denn: „Leise zu treten hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“ – eines meiner Lieblingszitate von Johanna Dohnal.