„Ich möchte niemals einen Bürojob haben, ich will flexibel sein“, war ich mit Anfang 20 überzeugt. Mein Traum war eine Karriere in der Filmproduktion, aber das Jobangebot in meiner Wahlheimat Kärnten schien mir damals begrenzt. Also beschloss ich, mich selbstständig zu machen. In meiner Vorstellung war Selbstständigkeit gleichbedeutend mit Flexibilität, Kreativität und Freiheit. Rund ein Jahrzehnt später habe ich nun einen abwechslungsreichen, erfüllenden „Bürojob“. Selbstständigkeit scheint der Traum vieler junger Menschen zu sein, aber nicht jede*r ist dafür gemacht. Hier meine persönlichen Learnings aus beiden Welten und was mich zu meinem Neustart als Angestellte motivierte.

Mit dem Arbeitsverhältnis ist es wie mit den Haaren

Mir kommt vor, beim Thema selbstständig vs. angestellt verhält es sich ähnlich wie beim Thema glatte vs. lockige Haare – frau will das, was sie nicht hat, und beneidet die jeweils anderen darum. Als ich selbstständig war, habe ich jene Freundinnen beneidet, die ein geregeltes Einkommen hatten, sich Geld ansparen konnten und schönere Urlaube gemacht haben als ich. Jene Freundinnen beneideten mich, weil ich mit meinem eigenen Unternehmen genau das gemacht habe, was mir Spaß machte. In einem Betrieb ist man meist an fixe Prozesse gebunden und hat viel weniger Spielraum als beim eigenen Unternehmen.

Es gibt also kein richtig oder falsch. Manche Menschen sind perfekt für die Selbstständigkeit geeignet, manche genießen es, Arbeitnehmende zu sein. Um die Selbstständigkeit ranken sich einige Mythen, die ich immer wieder höre. Ich hatte sie auch – die Glaubenssätze, die sich für mich als falsch herausgestellt haben. Die wichtigsten möchte ich euch kurz erläutern.

„Wenn ich selbstständig bin, kann ich arbeiten, wann und wo ich will.“

Immer wieder hören wir, dass das Wort selbstständig bereits alles aussagt, nämlich „selbst und ständig“. Das kann ich nur unterstreichen. Als EPU (Ein-Personen-Unternehmen) konnte ich natürlich entscheiden, welche Aufträge ich annahm und welche nicht. Aber einen Auftrag nicht anzunehmen, hieß am Ende des Monats weniger Geld. Die Entscheidung Urlaub oder Arbeit fiel bei mir dann meistens zugunsten der Work- und zulasten der Life-Balance aus. Natürlich hatte ich keine starren Arbeitszeiten, aber manche Drehtage starteten um 6 Uhr in der Früh und endeten am nächsten Tag um 2 Uhr morgens. Da ist mir geregeltes „9 to 5“ inzwischen deutlich lieber.

„Wenn ich jeden Tag das Gleiche mache, bin ich nicht kreativ.“

Kreativität setzt voraus, dass ich frei und outside the box denken kann. Aber wo kann man kreativer sein? Als Selbstständige musste ich mich um alles selbst kümmern, von der tatsächlichen Tätigkeit, über Marketing, Kundenakquise, Buchhaltung etc. Jetzt kümmere ich mich um meinen Aufgabenbereich und überlasse Buchhaltung und Co. den Profis. Für mich als ordnungsliebender, organisierter Mensch ist zweiteres jedenfalls fördernder für meine Kreativität. Ich kann mich in meinem Aufgabengebiet entfalten und neues ausprobieren. Wenn es nicht klappt, dann mache ich es das nächste Mal anders. Bei der Selbstständigkeit hatte ich hier gefühlt mehr Druck.

„Selbstständig heißt, ich muss alles selbst machen.“

Mein Verständnis von Selbstständigkeit war, dass ich alles allein machen muss. Angestellte sind sehr teuer, das konnte ich mir Anfangs nicht leisten. Und irgendwann war ich es dann gewöhnt, alles allein zu machen. Das würde ich nicht mehr so machen. Jede ist Expertin in ihrem Gebiet, also greift auf die Expertise anderer zurück. Baut euch auch ein Netzwerk auf – von Expert*innen, die euch unterstützen können oder Mitbewerber*innen, mit denen ihr euch austauschen könnt. Ich habe in meiner Selbstständigkeit von beidem profitiert.

Der Weg ist das Ziel

Von Selbstständig/Filmproduktion zu Angestellt/Wissenschaftskommunikation klingt erstmal nicht einleuchtend, aber für mich hat es Sinn gemacht. Ich war gerne selbstständig, aber habe mir immer Sorgen um die nächsten Einkünfte, Aufträge etc. gemacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, ewig so zu arbeiten. Dann kam das Jobangebot und ich musste mir keine Sorgen mehr über Geld, Urlaub und Co. machen. Ich arbeite gerne in einem Teamgefüge, wo ich zwar die Verantwortung für meinen Bereich habe, aber nicht für das gesamte Unternehmen.

Durch meine Selbstständigkeit habe ich viel gelernt: Ich musste alles selbst organisieren, sowohl die small steps als auch das big picture im Bild haben und habe persönlich und professionell viel gelernt – sowohl aus meinen Fehlern als auch Erfolgen. 

Zum Schluss kann ich euch nur mitgeben: Überlegt euch, für welchen Job ihr brennt, und sucht euch dann die passende Arbeitsform. Ihr könnt jederzeit den Kurs wechseln. In unterschiedlichen Lebensphasen passen unterschiedliche Jobs. Würde ich mich heute selbstständig machen, dann würde ich viele Dinge sicher anders machen. Aber aktuell genieße ich mein geregeltes, abwechslungsreiches Arbeitsleben und die bezahlten Urlaube. 

Über die Autorin:

Isabella Preuer leitet den Bereich Kommunikation & PR beim Spitzenforschungszentrum Silicon Austria Labs (SAL). Ihr Daily Business ist die Wissenschaftskommunikation, also das Übersetzen technologischer Innovationen in diverse Medien. Die gebürtige Niederösterreicherin studierte Anglistik, Kultur- und Medienwissenschaft an der Universität Klagenfurt und der Universität Lyon (Frankreich) und war danach selbstständig in der Filmproduktion tätig. Nebenbei arbeitete sie auch an diversen Kurzfilmen. Bei SAL verantwortet sie nun die externe und interne Kommunikation, Social Media und PR. Isabella ist enthusiastische Autorin, Filmemacherin und war 2013 im Zuge des EU-Projekts „28 Times Cinema“ die österreichische Botschafterin des Lux-Filmpreises. Seit Anfang 2022 ist sie auch im Vorstand des BFC und leitet in dieser Funktion die BFC Career Talks